Eine Billion Dollar
vernünftige Bereiche. Gerade so, als breche danach eine Zeit der Befriedung an.
McCaine hatte seinen Blick bemerkt und schien seine Gedanken zu erahnen. »Vergessen Sie die Kurven nach dem Kollaps, egal wie sie aussehen«, sagte er. »Im Prinzip dürfte man sie nicht weiter zeichnen als bis zum Punkt des Zusammenbruchs. Was danach kommt, ist nicht berechenbar. Vermutlich bedeutet es das Ende der Menschheit als Gattung.«
»Das sieht aber ziemlich hoffnungslos aus«, meinte John.
»Das kommt daher, dass es ziemlich hoffnungslos ist«, sagte McCaine. Er blätterte das Buch weiter, schlug eine Seite weit hinten auf. »Das hier hätte man erreichen können, wenn man im Jahr 1970 angefangen hätte, einschneidende Maßnahmen umzusetzen. Einen Gleichgewichtszustand. Man hätte eine strikte Kontrolle der Fortpflanzung einführen müssen, Umweltverschmutzung drastisch reduzieren und mit Rohstoffen äußerst sparsam umgehen müssen. Was das im Detail hieße, lässt sich hieraus nicht ableiten, aber klar ist, dass die Voraussetzung für einen solchen Zustand – der immerhin eine langfristig gesicherte Existenz auf einem sehr hohen Niveau der Lebensqualität darstellt – die Beendigung des Wachstums von Wirtschaft und Bevölkerung ist.«
John fiel Lorenzos Artikel wieder ein. Sein Cousin hatte den Finger zielsicher auf das gleiche Problem gelegt: das ständige, unaufhörliche, von allen geradezu vergötterte Wachstum. »Beendigung des Wachstums«, wiederholte er sinnend. »Und wie ließe sich das erreichen?«
»Die Frage ist, warum es nicht schon längst erreicht ist. Wachstum geschieht schließlich nicht von selbst. Man muss sich anstrengen dafür. Es fordert Schweiß und Entbehrungen. Die Frage ist, warum man nicht aufhört, wenn man genug hat.«
»Na schön. Und warum hört man nicht auf?«
»Weil keiner anfangen will. Es ist wie beim Wettrüsten – jeder hat Angst, den ersten Schritt zu tun, weil er Angst hat, ins Hintertreffen zu geraten. Man hört nicht auf, weil die anderen nicht aufhören.«
John starrte auf das zerfledderte Buch hinab. Er hatte Kopfschmerzen. »Okay. Und was hat das alles mit mir zu tun? Und mit Ihnen?«
»Liegt das nicht auf der Hand?«
»Nein.« John drehte beide Handinnenflächen nach oben. »Auf meiner Hand liegt gar nichts.«
»Alright«, sagte McCaine, lehnte sich im Sessel zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Mister Fontanelli, was wissen Sie darüber, wie man reich wird?«
»Wie bitte?« John blinzelte ihn an. »Wie man reich wird?«
»Ja. Wie funktioniert das? Wieso werden die einen reich und die anderen nicht? Erbschaften einmal ausgenommen.«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
»Wie die meisten Leute. Aber es ist Ihnen klar, dass es da bestimmte Zusammenhänge geben muss?«
»Ich denke, viel ist Zufall. Außerdem sehe ich den Zusammenhang zu vorhin nicht.«
»Sie werden ihn gleich sehen.« McCaine stand auf, mit einem Mal schwerfällig wirkend. »Lehnen Sie sich zurück. Entspannen Sie sich. Ich werde es Ihnen erklären.«
Sie hieß Karen, und je länger Marco mit ihr schäkerte, desto besser gefiel sie ihm auch. Ab und zu spähte er noch durch die Glastür, aber die beiden Männer waren in Gespräche vertieft, und es sah so aus, als drohe Mister Fontanelli keine Gefahr. Die rothaarige Sekretärin schien heute nicht viel zu tun zu haben, trotz ihres Schreibcomputers und der großen Telefonanlage.
»Es gibt so Tage«, meinte sie. »An anderen Tagen ist wieder die Hölle los. Je nachdem, was an der Börse passiert, wissen Sie?«
»Damit kenne ich mich nicht aus«, gestand Marco.
Karen überredete ihn doch noch zu einem Kaffee und trieb von irgendwoher Gebäck auf, und sie erzählten sich gegenseitig aus ihrem Leben, während sie die winzigen pappsüßen Stücke futterten.
»Ich könnte Ihnen London zeigen«, bot Karen an. »Wenn Sie mal wieder kommen.«
Marcos Blick huschte verstohlen an ihrer Figur entlang. »Das würde mich wirklich interessieren«, meinte er und setzte mit ehrlichem Bedauern hinzu: »Aber ich weiß nicht, wann ich wieder nach London komme.«
»Oh, Sie werden bestimmt noch öfter kommen«, meinte Karen O’Neal mit spitzbübischem Lächeln. »Mein Chef möchte nämlich mit Ihrem Chef zusammenarbeiten – und er kann sehr überzeugend sein…«
»Reichtum hängt in erster Linie zusammen mit den Einnahmen und in zweiter Linie mit den Ausgaben«, dozierte McCaine, wie ein dunkler Schattenriss vor dem hellen Panorama
Weitere Kostenlose Bücher