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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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McCaine ging eine solche Energie, eine solch körperlich spürbare Entschlossenheit aus, dass man meinen konnte, einem kochenden Hochofen gegenüber zu sitzen.
    »Ich fürchte«, meinte John langsam, »ich verstehe noch nicht so richtig.«
    »Meine Mission, meine Aufgabe im Leben«, erklärte McCaine mit mächtig mahlenden Kiefern, »ist, Ihnen beizustehen und zu helfen, die Prophezeiung des Giacomo Fontanelli zu erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger. Alles, was ich bis jetzt getan habe – das Studium, der Aufbau dieser Firma – war nur Vorbereitung für diese Aufgabe, war nur Training, Übung, Schattenboxen. Ich musste lernen, mit Geld umzugehen, mit viel Geld. Wenn ich Ihnen von Nutzen sein wollte, musste ich mich in der Hochfinanz bewegen können. Nur das war der Grund. Reichtum interessiert mich nicht. Ob ich einen Jaguar fahre oder zu Fuß gehen muss, ist mir gleichgültig. Ich habe damals, vor fünfundzwanzig Jahren, jene Freiheit gewonnen, wie sie einem die absolute Besessenheit von einem Ziel, von einer Vision verleiht. Ich weiß seither, wofür ich auf der Welt bin. Ich bin so fest davon überzeugt wie davon, dass die Sonne morgen früh wieder aufgehen wird, dass es kein Zufall war, der mich nach Florenz geführt hat, sondern Vorsehung. Dieses Gespräch heute habe ich in Gedanken schon Tausende Male geführt. Fünfundzwanzig Jahre lang habe ich auf diesen Tag, auf diesen Moment hingearbeitet. Alles, was ich hatte, war ein Datum – der Stichtag, der 23. April 1995 – und eine Telefonnummer. Die Telefonnummer des Gästezimmers, das schon damals in der Villa vorbereitet wurde. Ich habe sie auf einer Liste des Telefontechnikers gesehen, der auch die Leitungen im Keller der Kanzlei einrichtete. Ich wusste, dass die Familie Vacchi diese Telefonnummer nicht ändern würde. Und nun«, fügte er mit geradezu orgiastischer Genugtuung hinzu, »ist es so weit. Sie sind hier.«
    John schluckte. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Dieser Mann war entweder vollkommen verrückt, oder er war ein Genie. Oder beides. »Woher«, fragte er, »wussten Sie, dass die Vacchis die Telefonnummer nicht ändern würden?«
    McCaine lächelte ein kurzes, düsteres Lächeln, an dem seine Augen unbeteiligt blieben. »Nun, der Symbolgehalt der Zahl 23 war offensichtlich. Der Stichtag. Und sie wussten nicht, dass ich die Nummer kannte. Ich habe darauf geachtet, mich nicht zu verraten. Mir war klar, dass ich im Geheimen agieren musste.«
    »Wieso das?«
    »Weil mein Vorhaben ihre Kompetenz absolut infrage stellte.« Er holte so tief Luft, dass John das Gefühl bekam, McCaine habe seit Beginn ihres Gesprächs nicht mehr geatmet. »Ich sage Ihnen das, was ich jetzt zu sagen habe, mit einem unguten Gefühl, denn ich verstehe, dass Sie der Familie Vacchi vermutlich sehr positive Gefühle entgegenbringen. Die Vacchis haben Sie zu einem reichen Mann gemacht, Ihr Leben in einem Maß zum Besseren verändert, wie Sie es sich niemals hätten träumen lassen – und sie wollen nichts dafür, keine Gegenleistung, nicht einmal Dank. Sie sind damit zufrieden, das Gelübde ihres Urahns erfüllt zu haben. Wahrhaft edle Leute, sollte man meinen.«
    John nickte. »Ja. So sehe ich das in der Tat.«
    »Aber tatsächlich«, erklärte McCaine, »haben auch sie ihre Schattenseiten. Sie haben fraglos eine unglaubliche Leistung vollbracht, das sei ihnen unbenommen. Aber gerade das, was sie zu dieser Leistung befähigt hat, ist es auch, was ihnen jetzt im Wege steht. Die Vacchis, Mister Fontanelli, sind vergangenheitsorientierte Leute, absolut fixiert auf Bewahrung, auf Erhaltung, auf Tradition. In ihrem Dorf haben sie sich ein kleines Paradies geschaffen, ein Shangri-La, in dem sie die ungekrönten Könige sind. Aber wenn Sie sich, um völlige Unvoreingenommenheit bemüht, einmal fragen, was die Vacchis konkret getan haben, dann werden Sie feststellen, dass sie Ihnen nicht haben helfen können. Nicht, was die Prophezeiung und ihre Erfüllung anbelangt. Im Gegenteil, sie setzen alle Hoffnungen auf Sie. Sie werden es schon machen. Sie sind der Erbe, Sie sind derjenige, den Giacomo Fontanelli in seiner Vision gesehen hat, Sie werden der Menschheit die verlorene Zukunft zurückgeben – irgendwie. Sie sind allein damit geblieben, nicht wahr? Die Vacchis haben Sie vor der Welt geschützt, Sie abgeschirmt, Sie abgelenkt mit all den Spielzeugen, die einem der Reichtum verschaffen kann. Im Grunde ihres Herzens wollen sie nämlich überhaupt nicht, dass

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