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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Computern eine legendenumwitterte Geheimwissenschaft. Ich habe Meadows’ Programm abgeschrieben, um selber damit zu experimentieren. Damals brauchte ich dafür Rechenzeit am Großrechner der Universität, musste kartonweise Lochkarten durch die Gegend schleppen und nachts um eins aufstehen, weil Studenten nur um diese Zeit kostenlosen Zugang zum Rechner bekamen. Heute könnte man dasselbe auf jedem PC für tausend Dollar machen. Nur – heute macht es keiner mehr.«
    Er schlug das Buch auf, schob es ihm aufgeschlagen hin, damit er die Diagramme darin betrachten konnte. John fragte sich, warum McCaine nie daran gedacht hatte, ein neues Exemplar zu kaufen. Fast jeder Satz war unterstrichen oder sonst wie markiert, manche Seiten lösten sich aus der Bindung.
    »Das ist der so genannte Standardlauf«, erläuterte McCaine und tippte auf ein primitiv aussehendes Diagramm, in dem fünf Linien sich wellenförmig hoben und wieder senkten. »Die Entwicklung der wichtigsten fünf Zustandsgrößen Bevölkerungszahl, Lebensqualität, Umweltverschmutzung, Rohstoffvorräte und investiertes Kapital unter der Annahme, dass keine entscheidenden Maßnahmen erfolgen. Im Jahre 1975 wohlgemerkt. Heute wissen wir, dass bislang nichts geschehen ist, also stellt dieser Lauf dar, was sich tatsächlich seither getan hat. Sehen Sie hier die Linien, die ich bei 1970 und 1995 eingetragen habe? Betrachtet man nur diesen Ausschnitt, sieht es nicht übel aus. Leichter Anstieg der Umweltverschmutzung und starker Anstieg der Bevölkerungszahl, geringer Rückgang der Rohstoffvorräte sowie der Lebensqualität. Ungefähr das, was man beobachtet, nicht wahr? Das Ozonloch hat sich aufgetan, die Weltbevölkerung hat sogar noch etwas stärker zugelegt, nähert sich schon der sechsten Milliarde, und so weiter. Und nun sehen Sie, worauf das hinausläuft: ein Kollaps ungefähr um das Jahr 2030 herum, herbeigeführt durch Rohstoffmangel.«
    »Aber das ist doch unwahrscheinlich«, meinte John. »Rohstoffe werden doch eher billiger. Man findet immer neue Vorräte, und man findet zunehmend Ersatzstoffe. Erst neulich habe ich gelesen, dass man, um ein ganzes Land mit Glasfasern zu verkabeln, nur einen Lastwagen voll Sand braucht, im Gegensatz zu den Tonnen von Kupfer früher.«
    McCaine faltete die Hände. Auch diese Argumente hatte er ganz offenbar schon oft gehört. »Erstens ist das ein simples Modell. Unter Rohstoffe fällt einfach alles – Kupfer genauso wie Erdöl. Diese Linie ist also ein sehr, sehr grober Durchschnittswert. Zweitens, was die Rohstoffpreise anbelangt: Ja, man kann viel ersetzen, und viele Rohstoffe – Eisen etwa oder Aluminium – sind wirklich in Hülle und Fülle vorhanden. Aber Sie übersehen, was viele Leute übersehen, nämlich, dass zahlreiche Rohstoffe, von denen man selten etwas hört, die aber für viele industrielle Prozesse von entscheidender Bedeutung sind, tatsächlich immer seltener und teurer werden. Stoffe wie Molybdän oder Tantal, Palladium oder Hafnium, Germanicum oder Niob, und so weiter. Drittens aber«, fuhr er fort, nahm das Buch wieder an sich und blätterte zu einer anderen Grafik weiter – er schien den Inhalt so auswendig zu kennen wie ein Pfarrer die Bibel –, »handelt es sich vor allem um ein vernetztes System. Alle Faktoren hängen mit allen anderen zusammen. Ihr Argument, Mister Fontanelli, ist ein typisches Argument des linearen Denkens. Ein Problem taucht auf, man bekämpft es, ohne zu erkennen, dass die Lösung des Problems in anderen Bereichen neue, womöglich schlimmere Probleme nach sich zieht. Wenn man den Rohstoffmangel beseitigt – was man in dem Programm leicht durchspielen kann, indem man zum Beispiel fünffach höhere Vorräte annimmt, als bekannt sind –, werden stattdessen eben andere Lasten wirksam. Sehen Sie dieses Diagramm: Würde der Rohstoffverbrauch sinken, wäre eine über alle Maßen steigende Umweltverschmutzung der limitierende Faktor, der etwa um die gleiche Zeit einen weitaus jäheren Zusammenbruch des Systems verursacht.«
    »Oh.« John blätterte weiter. Ein Diagramm sah schlimmer aus als das vorhergehende. Was man auch versuchte, es endete stets in einer Katastrophe. Sogar eine verringerte Freisetzung von Schadstoffen konnte den Zusammenbruch nur um zwei Jahrzehnte hinauszögern.
    Allerdings: Nach dem Eintreten der Katastrophe, am rapiden Rückgang der Bevölkerungszahl erkennbar, was gleichbedeutend war mit Millionen von Toten, bewegten sich manche der Kurven wieder in

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