Eine Braut fuer den italienischen Grafen
vergessen.
Ich hätte schon längst heiraten und Kinder haben sollen, hatte er ärgerlich gedacht. In den letzten Jahren hatte er sich so sehr auf seine Kellerei und die Vermarktung des Weins konzentriert, dass er seiner eigenen Zukunft, seinen Nachkommen, nie auch nur einen Gedanken gewidmet hatte.
Inzwischen hatte er das gründlich nachgeholt. Er hatte sich eine Braut gesucht, mit derselben Sorgfalt, mit der er einen guten Wein auswählte.
Wieder trommelte er mit den Fingern auf das Lenkrad, und Ana warf ihm einen misstrauischen Blick zu. Wie kann ich sie am besten für mich gewinnen? überlegte er. In dem Hosenanzug wirkte sie fülliger, als sie tatsächlich war. In geschickt ausgewählter Garderobe und mit etwas Make-up sähe sie sicher besser aus, dachte er, dann musste er schmunzeln. Was würde sie wohl denken, wenn sie von seinen Plänen wüsste? Viele Frauen würden sich darum reißen, in die Cazlevara-Dynastie einzuheiraten, doch instinktiv ahnte er, dass sie nicht dazugehörte. Von Schmeicheleien ließ sie sich nicht einwickeln, das hatte ihn ihre erste Begegnung gelehrt. Sie ähnelte in keiner Weise den Frauen, mit denen er sich sonst umgab, weder äußerlich noch von ihrer Persönlichkeit her. Dennoch wünschte er sie zu heiraten, aus einer Reihe wohlerwogener Gründe.
Ich werde ihr meinen Heiratsantrag als Geschäft unterbreiten, nahm er sich vor. Sie schien Offenheit zu schätzen, also würde er Klartext reden. Auf diese Weise musste er auch keine Zeit darauf verschwenden, Zuneigung zu heucheln.
Was ist, wenn sie auf eine echte Ehe voller Liebe hofft? überlegte er, von leichten Gewissensbissen geplagt. Es war wichtig, ihr von Anfang an zu verdeutlichen, dass Liebe nicht Bestandteil ihrer Vereinbarung war.
Als praktisch veranlagte – und nicht besonders hübsche – Frau hatte sie jedoch bestimmt kein Interesse an Romantik. Andernfalls konnte sie seinen Antrag immer noch ablehnen.
Allerdings würde er dafür sorgen, dass sie es nicht tat.
Die Straße führte vorbei an sanft geschwungenen Weinbergen, an kleinen Eichenwäldchen und Zypressenhainen. Immer wieder sah Ana nervös zu Vittorio hinüber. Seit sie in seinen Wagen gestiegen waren, hatte er kein Wort mehr gesagt. Konzentriert, fast ein wenig grimmig, blickte er durch die Frontscheibe auf die Straße. Nach etwa zwanzig Minuten tauchten in der Ferne die Lichter von Castello Cazlevara auf, wenig später bog Vittorio in die Privatstraße ein, die sich über einige Kilometer bergauf wand, bis sie ihr Ziel erreichten.
Natürlich kannte sie das Schloss von zahlreichen Fotos und Postkarten, einmal war sie selbst dort gewesen. Trotzdem erfüllte der Anblick des mittelalterlichen Bauwerks, das auf einem Felsvorsprung thronte, sie mit Ehrfurcht. Schlanke Türme reckten sich dem Abendhimmel entgegen, eine uralt anmutende Zugbrücke spannte sich über den trockengelegten Burggraben. Vor langer Zeit hatte die mächtige Festung auf dem Berg den Menschen der Umgebung Schutz vor Angreifern geboten und, sofern Ana sich richtig an den Geschichtsunterricht erinnerte, sogar vor der Armee des Papstes. Dass die wuchtigen Mauern jedem Feind standgehalten hatten, wunderte sie nicht.
„Ihr Schloss ist also ein ‚ganz besonderer Ort‘?“, fragte sie leichthin.
„In meinen Augen, ja.“
Sie blickte zu den steil aufragenden Mauern und Türmen empor und konnte ihm nur zustimmen. Es war wirklich außergewöhnlich – und ein wenig beängstigend.
Vittorio steuerte den Wagen über die Zugbrücke in einen weitläufigen gepflasterten Innenhof und hielt an. Im Lauf der Zeit war das Schloss mehrfach renoviert und modernisiert worden, hatte dabei jedoch nichts von seinem Zauber eingebüßt. Immer noch war es eindrucksvoll und geradezu verboten schön, mit graziös geschwungenen Torbögen und Fenstern, eleganten Treppen und verwunschenen Winkeln. Ebenso ansehnlich fand Ana auch den Burgherrn, der eben um den Wagen herumging und ihr den Schlag aufhielt. Dann führte er sie über eine steinerne Treppe zum Haupteingang, den gasbetriebene Fackeln eindrucksvoll in Szene setzten.
In der riesigen Eingangshalle dämpfte ein hochfloriger türkischer Teppich auf dem Steinboden ihre Schritte. Auch hier warfen Fackeln geheimnisvolle Schatten auf die Wände. Auf Hochglanz polierte Türen aus Mahagoni führten zu zahlreichen Empfangsräumen, doch Vittorio geleitete Ana zu einem Durchgang am gegenüberliegenden Ende der Halle.
„Haben Sie je daran gedacht, sich eine kleinere,
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