Eine Braut fuer den italienischen Grafen
moderne Villa zuzulegen?“, fragte sie, beeindruckt und gleichzeitig eingeschüchtert von der großartigen Umgebung.
Vittorio war kaum merklich zusammengezuckt, einem anderen Besucher wäre seine Reaktion vermutlich entgangen, doch sie beobachtete ihren Begleiter genau und nahm jedes Detail wahr: die kräftigen Schultern, das Spiel der Muskeln unter dem glatten Anzugsstoff, seinen männlichen Duft – und ebenso deutlich den unvermittelten Stimmungsumschwung.
„Die Familie Cazlevara hat schon immer hier gelebt! Allerdings wohnt meine Mutter den größten Teil des Jahres in der Nähe von Mailand, in einem kleinen palazzo , der Ihrer Beschreibung entspricht.“ Er blieb stehen und wandte sich zu ihr um. Das Licht der Wandleuchter, die in gleichmäßigen Abständen an den Mauern befestigt waren, spiegelte sich in seinen Augen. „Könnten Sie sich vorstellen, an einem Ort wie diesem zu leben?“
Das konnte sie! Im Geist sah sie sich als Gastgeberin eines Abendessens im altehrwürdigen Speisesaal oder in der großen Halle beim Empfang der Gäste zu einer Weihnachtsparty. Die Vorstellung gefiel ihr weit besser, als sie erwartet hätte.
„Es muss interessant sein, so verbunden mit der Vergangenheit zu leben.“ Wieder sprach sie zu seinem Rücken, denn Vittorio war bereits weitergegangen. Rasch folgte sie ihm.
„Das Schloss ist tatsächlich sehr alt. Aber Ihre Familie lebt ebenfalls schon lange in Venetien.“
„Erst seit dreihundert Jahren, also so gut wie nichts, verglichen mit Ihren Ahnen!“
Er lachte, blieb vor einer geschnitzten Tür stehen, öffnete sie und ließ ihr den Vortritt.
Erwartungsvoll und befangen zugleich, sah Ana sich in dem gemütlichen Raum um. Schwere Samtvorhänge vor den Fenstern hielten die Kühle der Nacht fern. Im offenen Kamin prasselte ein Feuer, ansonsten dienten Kerzen als einzige Lichtquelle. Vor dem Kamin war ein Tisch für zwei Personen gedeckt mit einem schweren weißen Leinentuch, passenden Servietten, feinstem Porzellan und erlesenem Kristall. Auf einem Beistelltisch stand eine geöffnete Flasche Rotwein bereit. Dies war kein Rahmen für ein Geschäftsessen, eher für eine romantische Verführung.
Würde sich ihre Verabredung doch noch als Rendezvous erweisen? Sie schluckte nervös, räusperte sich kurz und sagte: „Wie schön! Das ist wirklich ein besonderer Ort.“
Vittorio lächelte und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Auf dem Weg hierher waren sie niemandem begegnet, daher erkundigte sich Ana: „Leben Sie hier allein?“
„Meine Mutter und mein Bruder wohnen gewöhnlich in Mailand, doch sie kommen und gehen, wie es ihnen gerade gefällt.“
Seine Worte und vor allem sein Tonfall vermittelten ihr den Eindruck, dass er den kleinen Familienkreis als lästiges Beiwerk betrachtete. Doch wie konnte das sein? Sie selbst fühlte sich seit dem Tod der Mutter ihrem Vater eng verbunden. Er war alles, was sie noch hatte.
Vittorio rückte ihr den Stuhl zurecht und legte ihr eine gestärkte Leinenserviette auf den Schoß. Dabei streifte er zufällig ihre Schenkel, und sie erschauerte. Niemand hatte sie je so intim berührt. Ihre fehlende Routine im Umgang mit Männern ließ sie sich extrem unsicher fühlen.
Auch die romantische Umgebung irritierte sie. Zur Beruhigung rief sie sich in Erinnerung, dass er ihr lediglich ein Geschäft vorschlagen wollte. Er plante keine Verführung und begehrte sie ebenso wenig wie Roberto, der Mann, in den sie sich an der Universität verliebt hatte. Das durfte sie nicht vergessen, sonst würde sie sich im Verlauf des Abends noch fürchterlich blamieren.
„Wein?“ Vittorio zeigte ihr die Flasche. Erfreut erkannte sie, dass er einen Wein von Viale gewählt hatte, ihre Spitzensorte.
Er schenkte ein, reichte ihr den Kelch, nahm Platz, hob sein Glas und prostete ihr zu: „Auf unser Geschäft.“
„Auf ungewöhnliche Angebote!“
„Ein edler Tropfen“, lobte Vittorio, nachdem sie getrunken hatten. „Auf einem meiner letzten Flüge habe ich im Bordmagazin einen Bericht darüber gelesen – und über Sie. Kennen Sie den Artikel?“
Ana nickte. Das Interview war zwar nur knapp ausgefallen, doch sie konnte jede Publicity gebrauchen.
„Sie haben viel erreicht!“
„Danke.“ Es hatte langer, harter Arbeit bedurft, um bei den Winzern der Region Anerkennung zu finden und ihrem Wein den ihm gebührenden Rang zu verschaffen. Dies sollte ihr mehr bedeuten als sein Lob, dennoch wurde ihr bei seinen Worten warm ums Herz.
Wenig später
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