Eine Braut fuer Lord Sandiford
entgegnete er ausweichend.
"Sie sind also vor dem Rest der Truppe nach Brüssel gekommen?"
"Ich habe den Kontinent nie verlassen. Nach Toulouse wurde der Duke als Botschafter an den Bourbonenhof geschickt und brauchte einen Begleiter. Ich meldete mich freiwillig und blieb dann mit der Duchess und dem Botschaftspersonal in Paris, als Old Hookey zum Wiener Kongress fuhr."
Der Leutnant stieß einen Pfiff aus. "Das muss eine unangenehme Pflicht gewesen sein. Ich habe gehört, dass die Franzmänner sehr unfreundlich wurden, wenn man den Bourbonen Unterstützung zukommen ließ. Besonders unangenehm sollen sie aber den Engländern gegenüber gewesen sein, als Napoleon versuchte, wieder zurückzukehren."
"Madame de Staël und ein paar andere Exilanten, die wiedergekommen waren, boten uns eine amüsante Gesellschaft." Ein paar der hinreißenden Damen im Gefolge der Madame de Staël hatten ihn sogar dazu verführt, für eine Weile alles Vergangene zu vergessen.
Der Leutnant zog eine Augenbraue hoch und lächelte. "Ach so, deshalb sind Sie also länger geblieben. Aber von dem Charme französischer Damen einmal abgesehen – Sie sind doch ein Engländer und werden sich nach der Heimat sehnen."
"Nach jedem verschuldeten Morgen Land", erwiderte Sandiford trocken. Jeffers, sein Offiziersbursche, den er nach der Schlacht von Waterloo nach Hause vorausgeschickt hatte, schrieb ihm immer wieder, dass er seine Angelegenheiten in England dringend in Ordnung bringen müsste. Nachdem nun der Frieden sichergestellt und das Regiment nach Hause beordert worden war, konnte er dieser lästigen Pflicht nicht länger ausweichen. Eine Pflicht, die vielleicht eine Freude gewesen wäre, wenn er die Frau neben sich gewusst hätte, die er liebte. Sarah – der Name stieg wie ein Seufzer in ihm auf.
"So stehen die Dinge also? Das tut mir Leid." Der Leutnant schüttelte den Kopf. "Wenn Sie allerdings keine Liebste haben, die auf Sie wartet, können Sie sich zumindest eine reiche Braut suchen. Ich wage zu behaupten, dass viele Väter sich glücklich schätzen würden, wenn Sie ihrer Tochter den Hof machen würden." Der junge Mann musterte den Oberst von Kopf bis Fuß. "Ein gut aussehender Offizier von ansehnlichem Rang, der in dem besten aller Husarenregimenter, dem ruhmreichen Zehnten, gedient hat."
Die Vorstellung, wegen Geld zu heiraten, erschien Sandiford so fürchterlich, dass er die Zähne zusammenbiss. "Ich bezweifle, dass ein ausgedienter und verarmter alter Soldat, wie ich es bin, ein solch guter Fang sein soll, wie Sie es darstellen. Aber ich werde mein Möglichstes tun."
"Dann werde ich Sie sicher in der Ballsaison in London sehen. Es würde mich freuen. Falls Sie tatsächlich Schwierigkeiten haben sollten, eine Erbin zu finden …" Der Leutnant trat unruhig von einem Bein aufs andere; er musste das Blitzen in Sandifords Augen gesehen haben. "Zögern Sie nicht, meinen Vater anzusprechen. Er ist tatsächlich sehr wohlhabend, und ich schulde Ihnen mehr, als ich jemals …"
"Reden Sie keinen Unsinn! Das ist nicht der Erwähnung wert, auch wenn ich Ihr Angebot zu schätzen weiß. Ich hoffe jedoch, dass es nicht so weit kommen muss."
"Das nehme ich auch nicht an. Aber sehen Sie das? Dort drüben, wo der Nebel ein wenig aufgerissen ist?"
Sandiford drehte den Kopf in die Richtung, in die der Leutnant wies. Plötzlich sah er hohe weiße Klippen in der Ferne, die im Dunst gespenstisch schimmerten. Die Klippen von Dover.
Obgleich er sich innerlich dagegen wehrte, nahm ihn der Anblick seines Heimatlandes gefangen. In dem erstarrten Klumpen, der früher einmal sein Herz gewesen war, rührte sich ein winziger Funken Erregung.
Er kehrte also zu einem bankrotten Besitz und einer verschwenderischen Mutter zurück – zu den unausweichlichen Gegebenheiten, die ihn dazu zwingen würden, seinen Körper und seine gute Herkunft zu verschachern, um die Mitgift einer Braut zu erlangen, die er nicht wollte. Doch für einen Augenblick hatte ihn das Gefühl erfasst, unendlich viele Möglichkeiten vor sich zu haben. Er musste tatsächlich ein "verrückter Engländer" sein, wie es immer hieß.
Eine Woche später ritt Sandiford an einem kühlen Morgen mit seinem letzten übrig gebliebenen Pferd von der Kanzlei seines Advokaten in der Londoner City Richtung Westminster. Wie magisch angezogen, hielt er für einen Augenblick in der Nähe der berittenen Wache vor dem Hauptquartier der Armee an; mit seinem unauffälligen braunen Rock und der abgetragenen
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