Eine Braut fuer Lord Sandiford
Boden, strich den Rock glatt und setzte sich dann neben Sarah auf das Sofa. "Ich bin inzwischen langweilig und würdevoll geworden."
Lady Englemere unterdrückte ein Lachen. "Wie wahr! Hast du dich also entschlossen, Mountclare endlich ein wenig Ruhe zu gönnen und seinen Antrag anzunehmen? Es geht nun schon drei Monate so, und du hast nichts getan, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Englemere hat mir berichtet, dass man im Club auf ihn als den Gewinner setzt."
Clarissa schnitt ein Gesicht, während sie im Tee rührte. "Tut man das? Da ich es stets bevorzuge, die Zügel in der Hand zu halten, muss ich ihn wohl abweisen." Verärgerung und Unzufriedenheit zeigten sich in ihren Zügen. "Ach, ich weiß nicht! Er ist natürlich amüsant und sehr ergeben. Aber wie soll ich einen Mann heiraten, der gelbe Westen trägt?"
"War das nicht auch deine Begründung, um Wexley abzulehnen?"
"Wexley? Seine waren braunrot. Und außerdem hatte er im Gegensatz zu Mountclare, dessen Unterhaltung wenigstens manchmal ein Quäntchen Verstand zeigt, keinerlei tiefere Gedanken als die über den Schnitt seines Mantels."
"Aber irgendwann musst du heiraten. Du hast bereits die begehrtesten Junggesellen Londons abgewiesen. Viscount Albright und Lord Manton in dieser Saison und …"
"Bitte, Sarah." Clarissa winkte ungeduldig ab. "Müssen wir über so etwas Unerfreuliches wie Heiraten sprechen?" Sie lächelte ihre Freundin schelmisch an. "Stell dir nur vor, an einen so sittenstrengen Mann wie Englemere gefesselt zu sein. Bist du dir sicher, dass du das nie bereut hast?"
Sarah überging die ironische Bemerkung. "Mein Gatte ist ein hochintelligenter und sehr zuvorkommender Mann – wir beide werden in dieser Hinsicht nie miteinander übereinstimmen. Aber bist du dir sicher, dass du es nie bereut hast, ihn abgewiesen zu haben?"
"Keinen Augenblick. In dieser Hinsicht können wir uns einig sein."
"Es gibt außerdem noch andere Beweggründe für eine Ehe – jene, die mit einem warmen Bett in der Nacht zusammenhängen." Sarah sah sie besorgt an. "Du bist so voller Leidenschaft; es wäre jammerschade, wenn du dir das nicht eingestehen würdest."
Clarissa musste zugeben, dass ihr unerfülltes Verlangen nach Liebe bestimmt zu der beunruhigenden Sehnsucht beitrug, die sie in letzter Zeit immer öfter überfiel. "Man muss nicht die Fesseln der Ehe ertragen, um das genießen zu können", erwiderte sie halb im Scherz. "Männer tun es jedenfalls nicht."
Zu ihrer Enttäuschung war ihre Freundin keineswegs schockiert. "Das stimmt. Aber vergiss nicht, mein Schatz, dass die Frauen im Gegensatz zu den Männern die Folgen der Leidenschaft ausbaden müssen. Folgen, die du allerdings – dessen bin ich mir sicher – sehr genießen würdest. Mit deinem kindischen Charakter würdest du sicher eine gute Mutter abgeben."
"Ich glaube, das sollte gerade eine Beleidigung sein."
Sarah lachte. "Nein, eher ein Kompliment."
"Kinder sind ein großer Anreiz, das muss ich zugeben. Aber wenn man keinen Skandal heraufbeschwören will, bekommt man sie nur, wenn man einen hohen Preis dafür zahlt – die Ehe."
Sarah neigte den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete ihre Freundin. "Somit wären wir also wieder zum Ausgangspunkt zurückgekehrt. Zugegeben, du hast genug Vermögen, um nicht auf einen Mann angewiesen zu sein. Aber wenn du weiterhin darauf bestehst, nicht zu heiraten – was willst du dann mit dir anfangen? Du hast bereits im Haus deiner Mutter die Zügel an dich genommen und lenkst alles sehr geschickt; aber ich habe dennoch das Gefühl, dass du unzufrieden bist."
"Meine Mutter ist ein Einfaltspinsel, wenn auch ein sympathischer. Die Aufgaben, die du seit deiner Jugend meisterst, haben für mich zuerst eine gewisse Herausforderung bedeutet. Aber die habe ich nun bewältigt. Wenn die Ehe mich nicht für ewig binden würde, könnte ich vielleicht in Versuchung geraten. Bis jetzt muss ich allerdings noch den Gentleman kennen lernen, der mich nicht bereits nach zwei Wochen zu Tode langweilt. Wenn mir noch einmal jemand ein Loblied auf meine Augen, meine Lippen oder mein tizianrotes Haar singt, werde ich schreiend aus dem Zimmer laufen."
Clarissa sprang auf. "Je besser ich die Herren kennen lerne, desto weniger halte ich von ihnen", erklärte sie und ging zum Fenster. "Wenn ich mich freundlich und damenhaft geben würde, könnte ich noch verstehen, warum sie sich mir vor die Füße werfen", sagte sie verächtlich. "Aber ihre Aufmerksamkeit ärgert mich, und
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