Eine Braut fuer Lord Sandiford
Mal die Kanonen hört, sondern dieses leidige Unternehmen entschlossen anzugehen.
Er könnte auf seinem Weg zurück zu seinen bescheidenen Mieträumen in der North Audley Street bei den Herrenschneidern am St. James Park vorbeischauen – oder sollte er vielleicht in den "Albany-Herrenclub" gehen, um dort Alexander zu besuchen? Sein junger Leutnant, der stets Geld in der Tasche hatte und sich bereits auf die Saison in London freute, könnte ihm zweifelsohne raten, welchen der Schneider er aufsuchen sollte, um seine Garderobe zu verbessern. Auch wenn Sandiford nicht sehr viel auf Kleidung gab, wusste er doch, dass er in den wenigen zivilen Kleidungsstücken, die er besaß, eher wie ein Reitknecht als ein Gentleman aussah.
Er verkörperte augenblicklich nicht gerade den richtigen Mann, den sich eine aufgeputzte, mit Juwelen behängte Dame als künftigen Gatten vorstellte. Schließlich musste er sich schon bald über parfümierte Hände beugen. Er lächelte sarkastisch, als er sich ausmalte, wie ein solches Geschöpf der Gesellschaft dreinblicken würde, wenn er sich mit seiner abgerissenen Kleidung bei ihr präsentieren müsste.
Inzwischen war er am Piccadilly angelangt. Er fühlte sich jedoch zu unausgeglichen, um die Gesellschaft eines Bekannten aufzusuchen. Vielleicht würde ihm ein rascher Galopp durch die frische Luft des Hyde Parks gut tun. Er lenkte also sein Pferd in Richtung Westen.
Doch anstatt den Piccadilly entlangzutraben, ritt er durch das Getümmel der Händler, die zum Shepherd's Market gingen. Er hielt sich nördlich, bis er die stillere Curzon Street erreichte. Als er sich dem hübschen Haus im georgianischen Stil näherte, das ein wenig von der Straße zurückgesetzt lag, brachte er sein Pferd zum Stehen. Sein Herz klopfte wie wild.
Es sind ohne Zweifel die verwirrenden Veränderungen der letzten Tage, die diese schwarze Stimmung, diese Melancholie ausgelöst haben, redete Sandiford sich ein. Er wollte diesem Gefühl noch einen Moment länger nachgeben und dann weiterreiten.
Gedankenverloren stieg er vom Pferd, schlang Valiants Zügel um einen Pfosten und ging langsam auf das still daliegende Haus zu.
Obgleich zu dieser frühen Stunde die meisten Aristokraten noch im Bett lagen, wusste er, dass Sarah irgendwo hinter diesen Mauern bereits tätig war. Sie war nicht mehr seine Sarah, das Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem er aufgewachsen war, und das ihn als seine Freundin und Vertraute zu Dutzenden von Kindheitsabenteuern angestiftet hatte. Das Mädchen, das sich von einem jungenhaften Wildfang in eine junge Dame verwandelt und ihm das Herz gestohlen hatte. Die Dame, die seit nunmehr drei Jahren und drei Monaten die Frau des Marquess of Englemere war.
Sein Herz schien sich bei dem Gedanken an seine frühere Liebste schmerzhaft zusammenzuziehen. Süße Sarah, meine einzig wahre Liebe.
Sandiford wusste, dass es ihr gut ging. Obgleich er die ersten beiden Briefe, die sie ihm geschrieben hatte, nachdem er seinem Regiment vor drei Jahren wieder beigetreten war, ungelesen vernichten wollte, war es ihm letztendlich doch nicht gelungen. Er hatte dem Bedürfnis nachgegeben, zumindest noch diesen dünnen Faden der Freundschaft mit Sarah zu bewahren. Jeder neue Brief von ihr, der ihm von den interessanten Ereignissen in London berichtete, war rasch zu einem Höhepunkt der zumeist trübsinnigen Routine seiner Tage geworden. Er hatte alle Briefe aufgehoben, einschließlich des letzten, den er vor gerade drei Wochen erhalten hatte. Sie lagen in einem Stapel in seinem Nachtkästchen in der North Audley Street – alle, bis auf einen.
Ein leises Geräusch an der Haustür rüttelte ihn aus seinen Gedanken auf. Er sollte lieber weiterreiten, ehe jemand kam und ihn wie einen Bettler vor ihrer Pforte stehen sah.
Bevor er jedoch auf sein grasendes Pferd steigen konnte, kam ein Reiter im wilden Galopp um die Ecke. Ein Hausierer sprang beiseite, und seine Töpfe fielen scheppernd auf den Bürgersteig. Mehrere Hausmädchen kreischten und ließen ihre Staubwedel fallen, während Sandiford rasch einen Schritt zurückwich, als der große schwarze Hengst schnaubend vor ihm stehen blieb.
Als er aufsah, bemerkte er den Damensattel. Sein Blick wanderte noch höher, und er sah ein weibliches Profil, dessen klassische Vollkommenheit zweifelsohne bei Männern sklavische Ergebenheit und bei weniger vom Schicksal begünstigten Frauen Neid auslöste. Lange Wimpern umrahmten die Augen der Schönheit, deren Blick sich auf
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