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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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meinen Rat an Dich, der Wirtschaft nicht allzuviel Bedeutung zuzumessen, sondern jenem, wie Du ja selbst richtig schreibst, ein guter Mensch zu sein. Einzig dies ist es, was wichtig ist. Der Beweis dafür, daß dies das Wichtigste ist, ist, daß dies immer möglich ist.
    Ich küsse Dich, Sascha, Ljowa, grüße W[arwara] M[ichailowna].
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    24. Juni 1909
    [Jasnaja Poljana]
    Gestern erhielt ich Deinen Brief, lieber Ljowotschka, mit der Belehrung: der Wirtschaft so wenig Bedeutung als möglich zuzumessen sowie den Menschen gute Gefühleentgegenzubringen, da dies weitaus wichtiger sei als jegliche Wirtschaft. Darauf könnte man vieles antworten. Gute Gefühle in Worten, nicht aber in Taten haben keinerlei Wert. Ich kümmere mich um die Wirtschaft, dies tue ich, da ich niemanden übervorteilen und den Betrieb, wo es mir möglich ist, gerecht und anständig führen möchte. Gestern zum Beispiel erschienen Bauern aus Grumont 74 bei mir. Ich hatte dem Dorfvorsteher einen Brief geschrieben, daß die von mir zur Pacht zur Verfügung gestellten 37 Desjatinen zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollen. Der Dorfvorsteher und der dreisteste der Bauern, Grigori Matrosow, haben sie jedoch nach eigenem Gutdünken aufgeteilt, und zwar derart, daß ihnen mehr zufiel als jenen, die es nötiger hätten. Und sie wollten meiner Anweisung auf keinen Fall nachkommen. Da sagte ich ihnen, daß ich das Land in diesem Fall nicht abzugeben gedenke, und sie waren gezwungen, mir entgegenzukommen – sie verteilten das Land so, wie ich es wollte, und die, welche daraufhin mehr bekommen hatten, kamen, um mir zu danken. Dies ist ein Beispiel. Und es gibt ihrer viele. [...]
    Beim Essen kam eine Bäuerin an die Terrasse und bat, ihrem Kind, das nicht einmal zwei Jahre alt ist, zu helfen: Es ist aus dem Fenster gefallen, hatte eine furchtbare Wunde am Kopf, bis auf den Knochen, es war ein furchtbarer Anblick. Sascha fuhr mit ihr zur Feldscherin bei den Tschertkows, doch sie konnte nichts tun, morgen bringt man sie nach Tula. Daß es hier keinen Arzt gibt, ist allerorten zu spüren; die Leute haben sich daran gewöhnt, daß wir ihnen helfen und kommen deshalb zu uns. Nach dem Essen kam dann ein Brief von Dima 75 , der schrieb, Tschertkow sei bei Stolypin 76 gewesen und dieser habe ihm unwiderruflich die Rückkehr nach Teljatinki untersagt 77 . Tschertkow habe darum gebeten, seine kranke Frau besuchen zu dürfen, woraufhin Stolypin ihm antwortete, dies zu entscheiden sei Sache der Polizei. Was ist das nur für eine empörende Willkür!
    Dies alles hat Ljowa und mich sehr verstimmt. Er sagte, es sei an der Zeit, nach Schweden abzureisen. Und auch Du bist nicht hier, genießt das Leben woanders; ich aber habe schon lange vergessen, was es heißt, glücklich zu sein. Immerfort bedrückt irgend etwas mein Herz und lastet schwer auf meinen Schultern. Nun also lebe wohl, bleibe gesund und heiter.
    S. Tolstaja.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    25. Juni 1909
    [Jasnaja Poljana]
    Ich habe Dir bereits geschrieben, lieber Ljowotschka, daß Tschertkow nicht nur endgültig die Rückkehr nach Teljatiniki untersagt wurde, sondern auch der Besuch bei seiner Frau. Galja 78 hat daraufhin beschlossen, umgehend auf das Gut der Paschkows bei Moskau überzusiedeln, wohin Olga nunmehr fahren wird, um zu erkunden, ob das Leben dort einigermaßen eingerichtet werden kann. [...] Alle, mich eingeschlossen, sind ob dieser Umstände furchtbar bekümmert. Noch dazu hat Ljowa heute die Büste von Dir, an der er einen Monat lang voller Anstrengung gearbeitet hat, zertrümmert, alle seine Sachen gepackt und wird noch heute nacht nach Schweden abreisen. Es ist mir schwer, von ihm Abschied nehmen zu müssen. [...] Ich war froh, daß er hier war. Nunmehr bleiben wir drei Frauen einsam zurück. [...] Gäste haben wir keine, ich bin mit meinen Aufzeichnungen 79 , der Wirtschaft und anderen Dingen beschäftigt, und doch ist mir in der Seele schwer und einsam zumute.
    Mein ganzes Leben habe ich für Dich und mit Dir gelebt, und da ist es nur allzu verständlich, daß ich mich einsam fühle, wenn ich allein bleiben muß. Wann nur kehrst Du zurück? Darüber scheinst Du bewußt zu schweigen. [...]
    Wäre ich ein guter Mensch, so freute ich mich, daß Du wohlaufbist und heiterer Stimmung. Und ich bemühe mich auch, darüber glücklich zu sein, doch ungeachtet all meiner vernunftgeleiteten Überlegungen sehnt

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