Eine Ehe in Briefen
gemütlich, wie schön! Ich würde so gern mit Papá auf Jasnaja Poljana und hier leben.«
[...]
Gestern habe ich auch die Abrechnungen des Bücherverkaufs begonnen, heute bin ich damit fertig geworden. In der Nacht von Freitag auf Samstag wachte ich um 3 Uhr auf, denn ich hatte starke Leibschmerzen mit Durchfall. Ich ging entschieden dagegen vor, und es geht mir wieder besser. Nun habe ich schreckliche Zahnschmerzen. Der Zahnarzt wird mich vor Montag (morgen) nicht behandeln, ich habe noch so viel zu erledigen, morgen entscheidet sich, wie lange ich noch hier bleiben muß. Bis auf die Zahnbehandlung und den Hausputz, den ich aufgrund des Regens noch nicht machen konnte – habe ich alles erledigt. [...]
Soweit ist dies alles. Ich hoffe, morgen von Euch eine Nachricht zu erhalten. Es machte mich so traurig, daß ich Euch alle, vor allem die neuen Enkelkinder, verlassen mußte und sie nicht mit meinen Diensten und meiner Liebe umsorgen kann. Wenn ich nun die Sache mit den Zähnen in Ordnung bringe, so werde ich mich bis August nicht mehr von Jasnaja wegbewegen müssen, welches Glück!
Ich küsse Euch alle, ohne jeden gesondert aufzuzählen, denn ich wende mich von ganzem Herzen an Euch alle.
Eure Gattin, Mamá, Schwiegermamá, Großmutter usw.
S. Tolstaja.
(Wie in den Dokumenten des Zaren: Herrscher von ganz Rußland, König von Polen, finnischer Großfürst usw. usf. So klingt es auch bei mir).
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[16. Mai 1906]
[Jasnaja Poljana]
Tanja und Ju[lia] I[wanowna] berichten Dir vermutlich alles, was sich hier ereignet. Alles ist bestens. [...] Heute erhielt ich Deinen Brief, über alles allgemeine, die Duma, und Dich selbst – über Deine Zähne und Deine Krankheit. Letzteres interessiert mich viel mehr als ersteres. Bei uns ist alles bestens, wir leben in völliger Harmonie, die Enkelkinder sind sehr lieb. Ich ernähre mich von Sauermilch, bis jetzt geht es mir gut. Aber ich arbeite nicht, lese nur. Heute war ein alter Greis hier, vom Typ des Bauern, der langsam verschwindet. Dies war ein schönes Ereignis für mich. Lebe wohl, schreibe mir oft und ausführlich. Deine Briefe sind mir stets von Interesse. Vor allem nun. Was wird der Dentist befinden?
1908
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[15. Januar 1908]
[Jasnaja Poljana]
Die Nachrichten, Dein Befinden betreffend, sind sehr schlecht, liebste Freundin Sonja. Auch wenn dies kein Fieber ist, sondern etwas Innerliches, so hoffe ich doch, daß Dein starker Organismus diese Krankheit niederringen wird. Sascha hat Dir vermutlich geschrieben, daß wir das Haus voller Gäste haben und alles in bester Ordnung ist. Ich fühle mich sehr gut.Heute war Andrjuscha hier. Er hinterließ, leider, keinen guten Eindruck bei mir. Sascha kommt den Pflichten der Hausfrau sehr umsichtig nach. Tschertkow ist mir, wie immer, sehr angenehm. [...]
Ich küsse Dich. Auf Wiedersehen.
L.T.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[17.-18. Januar 1908]
[Moskau]
Sei bedankt, lieber Ljowotschka, für das Briefchen. Ich bin glücklich, daß Du wohlauf bist und es Dir mit Tschertkow wohl ergeht. Ich würde ihn sehr gern noch antreffen. [...]
Gestern ging es mir sehr schlecht. Meine Zahnärztin hat einen neuen Techniker, einen Deutschen. Er sollte einen Gipsabdruck des unteren Kiefers abnehmen und ließ den Gips derart hart werden, daß er die Form nicht mehr abnehmen konnte; sie versuchten es zu zweit – nichts. Dann riß dieser Kurpfuscher noch einmal mit solcher Gewalt, daß er mir unter schrecklichen Schmerzen jenen Zahn mit völlig gesunder Wurzel ausriß, an dem die falschen fixiert waren. Ich schrie vor Schmerzen und war sogar für eine Weile ohnmächtig. Die Behandlung beim Zahnarzt kommt also langsam voran, ich bin schon ganz verzweifelt, denn es ist kein Ende abzusehen, und das Resultat wird wohl derart schlecht sein, daß ich mich an einen weiteren Dentisten werde wenden müssen.
Auch mein Allgemeinbefinden ist schlecht: Ich war die letzten zwei Tage nur im Haus (außer am Morgen bei der Zahnärztin), und doch geht es mir immer noch nicht besser. Heute hatte ich am Tag plötzlich wieder Temperatur, 37,9°. Gegen Abend wurde es weniger. Ussow war zweimal hier, verordnete Chinin in hoher Dosis und sagte, ich müsse mich unbedingt Snegirjow 64 vorstellen. Aber Snegirjow ist auf dem Land und kommtfrühestens am Samstag zurück. Ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Ich habe
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