eine Elfenromanze
Männern.“
Tränenströme rannen Selina über die Wangen.
„Geh jetzt!“, schrie Liones erneut. „Verschwinde!“ Und Selina wandte sich um und rannte aus der Hütte.
Die beiden Männer hörten Ranora aufgeschreckt wiehern und dann den Schlag ihrer Hufe, als sie über die kleine Waldlichtung davon galoppierte.
Harras legte Liones beruhigend eine Hand auf die Schulter und gemeinsam traten sie hinaus in den Regen, um sich Arikor in den Weg zu stellen.
Tödliche Familienfehde
Selina blickte hinaus auf die trübe, graugrüne Landschaft. Der Regen prasselte wie ein dichter Vorhang unermüdlich herab. Tief hängende Wolken zogen in einer formlosen Masse über den Himmel. Die Halbelfe lehnte an der Fensterbank und starrte auf den nahen Wald, der sich wie eine dunkle Mauer hinter der Wiese erhob, welche die kleine Hütte umgab. Die klaren, warmen Herbsttage, die sie hier, in ihrer Heimat, an den Hängen des Gebirges, stets so liebte, waren bislang ausgeblieben. Stattdessen zeigte sich das Wetter seit Wochen von einer seiner trostlosesten Seiten.
‚Passend zu mir’, dachte Selina wehmütig. Jeden Tag jeder Woche, seit sie wieder zu Hause war, verbrachte sie mehrere Stunden hier am Fenster. Sie saß einfach nur da und schaute in die Ferne.
„Du musst zurücklassen, was hinter dir liegt“, sagte Kathrin und sah von ihrer Näharbeit auf. Mitleidig betrachtete sie ihre Tochter. Sie wusste, wie schwer es ihr selbst fiel, diesen Rat zu befolgen. Kathrin hatte ihr Leben als Kriegerin aufgegeben. Sie hatte die Zeit des Kampfes und der Gewalt hinter sich gelassen und hier, am Rande eines kleinen Bauerndorfes, mit ihrer Tochter ein neues Leben angefangen. Doch nach all den Jahren vermisste sie Sithan, ihren Mann, immer noch. Oft saß sie, wie Selina jetzt, am Fenster und fragte sich, wo er jetzt wohl sei ... ob er überhaupt noch am Leben sei. Sie hatte sich so sehr gewünscht, dass ihrer Tochter solch ein Schicksal erspart bleiben würde.
Kathrin legte ihre Arbeit beiseite, stand auf und trat zu Selina an das Fenster. „Oft habe ich nach Norden geblickt und gehofft, dein Vater würde eines Tages zu mir zurückkehren. Ich habe mir vorgestellt, wie er über die Wiese kommt, gezeichnet von den Schlachten und von dem Wunsch geleitet, ein Heim und eine Familie zu haben“, sagte sie leise.
Selina starrte unverwandt aus dem Fenster. „Ich blicke nach Süden, nicht nach Norden. Ich weiß, dass er niemals kommen wird. Er hat mich fortgeschickt. Vermutlich tanzt er jetzt mit einem beliebigen Mädchen auf einem Bankett und weiß nicht einmal mehr meinen Namen. Ich habe ihm nie wirklich etwas bedeutet. Es war nur eine Illusion. So wie der Schmetterlingsdrache in seinen Händen. Wunderschön. Jedoch nur eine Illusion.“
„Es tut mir so leid.“ Kathrin strich ihrer Tochter liebevoll über das glatte, schwarze Haar, das sie so sehr an ihren Ehemann erinnerte. „Ich habe mir immer gewünscht, dass du es einmal besser hast, als ich. Ich habe deinen Vater geliebt. Ich hatte geglaubt, sobald der Krieg vorbei wäre, könnten wir gemeinsam ein Heim bauen und eine Familie gründen. Ich hatte das Töten so satt! Doch für Sithan war der Kampf noch nicht vorbei. Er war noch so jung ... und ich war zu schnell älter geworden. Die Wahrheit ist, dass ich gerne an seiner Seite geblieben wäre. Doch ich konnte nicht mit ihm gehen. Sithan zog es in weitere Kämpfe und ich blieb mit unserer neugeborenen Tochter hier. Ich habe ihn nie wieder gesehen.“
Selina sah zu ihrer Mutter auf. „Er hat dich wirklich geliebt“, behauptete sie.
Kathrin sah aus dem Fenster und hoch zum Himmel. „Ja, das hat er. Mich und sein Schwert! Etwas, das sich nur auf dem ersten Blick vereinbaren ließ.“ Sie wandte sich von den regenschweren Wolken ab und sah ihre Tochter direkt an. „Du bist noch jung. Hänge der Vergangenheit nicht nach, wie ich es getan habe. Die Zukunft hält noch so viel für dich parat.“
Selina schüttelte abwehrend den Kopf. „Wie soll ich der Zukunft einigermaßen zuversichtlich entgegenblicken, wenn ich weiß, dass mein Herz mich dermaßen betrogen hat. Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen? Ich habe wirklich geglaubt, er hätte sich meinetwegen geändert.“
„Ich habe wirklich gedacht, dein Vater würde meinetwegen sein Schwert über den Kamin hängen.“ Kathrin lächelte matt. „In meinem Geburtsland pflegten wir zu sagen, dass jede Niederlage, die nicht unser Leben fordert, uns stärker werden lässt. Dein
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