eine Elfenromanze
dass er zu einem Mord fähig war.
„Liones …“, begann Harras erneut auf seinen Freund einzureden. „Liones, ich weiß, dass du wütend bist. Doch Arikor ist immer noch dein Bruder. Welche Schmach würdest du deinem Vater antun, wenn du, sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut ermorden würdest.“
Liones setzte zu einer hitzigen Antwort an, doch Harras ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Welche Schande würdest du über deine Mutter bringen? Würde Lady Eliera dich so sehen wollen? Ihr einziges Kind? Das Einzige, worin sie weiterlebt?“
Harras wusste, dass er einen Dolch in den wundesten Punkt der Seele seines Freundes stieß und er war nicht stolz darauf.
Liones schwieg betroffen. Seine Hand ließ das Schwert los. „Du hast recht, mein Freund“, flüsterte er. Sein Atem ging stoßweise. „Du hast recht. Ich kann diesen Kampf nicht mit Waffengewalt gewinnen, nicht hier, nicht heute und wahrscheinlich auch zu keiner anderen Stunde an keinem anderen Ort. Doch es gibt noch einen anderen Weg.“
„Was hast du vor?“, fragte Harras beunruhigt. Zum ersten Mal seit Langem hatte er das Gefühl, Liones nicht einschätzen zu können.
„Ich werde nicht länger vor Arikor zurückstecken. Und ich werde Selina nicht wegschicken“, erklärte der Elf. „Ich werde sie zum Haus meines Vaters bringen. Ich werde ihn um unseren Segen bitten.“
Harras war sich nun sicher, dass Liones in seinem Zustand zu allem fähig war, doch mit solch einer Offenbarung hatte er wahrhaft nicht gerechnet. „Liones, das kannst du nicht tun!“
„Wieso nicht?“, wollte der Elf wissen. „Eine Heirat mit mir würde sie in den Adelsstand erheben. Danach kümmert es niemanden, welchen Blutes sie von Geburt her ist! Und Arikor kann ihr nichts mehr anhaben, ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen.“
„Liones! Dein Vater würde es nie billigen, dass du ein Halbblut heiratest, das weißt du!“
Liones starrte Harras ungläubig an. „Selina ist ... eine ... Halbelfe?“ Er rang nach Atem. „Seit wann weißt du das?“
„Seit ich sie zum ersten Mal sah“, gestand Harras.
„Wieso hast du mir nichts gesagt?“
„Na hör mal! Du hast sie wesentlich ... nun ja, intimer kennengelernt, als ich. Woher hätte ich wissen sollen, dass du gar keine Ahnung hast, wer neben dir im Bett liegt?“
Liones lehnte sich erschöpft gegen die Wand. Er fühlte sich zerschlagen – besiegt. „Was soll ich nur tun?“, fragte er verzweifelt.
„Du musst sie wegschicken“, beharrte Harras. „Schick sie nach Hause, zurück in die Berge. Sie soll zu ihrer Mutter gehen. In Ametar ist sie nicht mehr sicher!“
„Ich bin bereit! Ich werde mich Arikor stellen“, erklang Selinas Stimme von der Tür her. Die Halbelfe hatte Liones’ Sachen angezogen, die ihr mehr schlecht als recht passten, und baute sich entschlossen vor den beiden Männern auf.
„Nein, das wirst du nicht“, sagte Liones mit gezwungen fester Stimme. „Du wirst zurückkehren. Nimm Ranora und reite nach Hause. Gehe zurück zu deiner Mutter.“
„Nein!“, schrie Selina. „Ich werde dich nicht verlassen!“
„Selina! Verschwinde!“
Selina sah Liones verzweifelt an. Ihre Augen begannen feucht zu glänzen. „Ich habe dir nichts bedeutet! Du schickst mich fort, wie du jede andere fortgeschickt hast. Es war also doch alles nur ein Spiel für dich!“
Liones umschlang sie mit beiden Armen und drückte sie an sich. „Nein! Du bedeutest mir mehr, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Ich liebe dich, Selina! Ich liebe dich mehr als mein Leben!“ Er schob sie auf Armeslänge von sich und sah ihr tief in die Augen. „Und genau aus diesem Grund musst du jetzt gehen. Ich würde es nicht ertragen, würde dir etwas zustoßen. Nimm Ranora und reite nach Norden. Behalte sie, sie vertraut dir. Schicke sie nicht zurück. Es ist besser, wenn ihr spurlos verschwindet.“
„Aber, was ist mit dir?“ Eine Träne bahnte sich einen Weg Selinas Wangen entlang.
„Harras und ich werden Arikor ablenken, damit du ungesehen entkommen kannst.“ Noch einmal umarmte er sie innig. „Ich werde dich holen kommen, sobald es mir möglich ist“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich werde dich holen.“ Er nahm allen Mut zusammen und stieß sie von sich. „Geh jetzt!“, schrie er.
Selina sah verstört von einem zum anderen.
Harras nickte ihr zu. „Flieht. Wir werden Arikor und seine Männer aufhalten, solange wir es vermögen. Er wird es nicht wagen, uns etwas anzutun, nicht vor seinen
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