Eine Evatochter (German Edition)
Angelika von Granville wieder. Als er ein naives, unschuldiges und reines Mädchen freite, hatte er als junger Greis, der er war, im voraus beschlossen, die Gefühle eines Vaters mit denen eines Gatten zu verbinden. Sein Herz war, das fühlte er, von der Welt und von der Politik ausgedörrt; er wußte, daß er für ein junges Leben die Reste eines verbrauchten Lebens in Tausch gab. Den Blumen des Frühlings wollte er das Eis des Winters gesellen, die alternde Erfahrung mit der schmucken, sorglosen Unerfahrenheit gatten. Als er sich derart über seine Stellung völlig im klaren war, bezog er die Winterquartiere der Ehe mit reichlichen Vorräten. Nachsicht und Vertrauen waren die beiden Anker, die er auswarf. Die Hausmütter sollten sich solche Männer für ihre Töchter aussuchen! Der Geist gleicht einer Schutzgottheit, die Enttäuschung ist scharfblickend wie ein Chirurg, die Erfahrung vorausschauend wie eine Mutter. Diese drei Eigenschaften sind die Kardinaltugenden der Ehe. Der gewählte Geschmack, die feinen Genüsse, die Felix von Vandenesse als eleganter Mann und Liebling der Frauen gelernt hatte, die Erfahrungen der hohen Politik, die Beobachtungen seines Lebens, das abwechselnd in Arbeit, Nachsinnen und Lektüre bestand, alle seine Kräfte dienten dazu, seine Frau zu beglücken, und er bot seinen ganzen Geist dazu auf.
So gelangte Maria Angelika aus dem mütterlichen Fegefeuer stracks in das eheliche Paradies, das ihr Felix in der Rue du Rocher eingerichtet hatte. In diesem Hause hatten die geringsten Dinge einen aristokratischen Duft, ohne daß der Firnis der guten Gesellschaft das harmonische Sichgehenlassen hinderte, das sich junge liebende Menschen so wünschen. Maria Angelika genoß zunächst die Freuden des Wohlstandes bis auf die Neige. Ihr Gatte machte sich zwei Jahre lang zu ihrem Haushofmeister. Er erklärte seiner Frau langsam und mit großem Geschick alle Verhältnisse des Lebens, weihte sie Schritt für Schritt in die Geheimnisse der hohen Gesellschaft ein, brachte ihr die Genealogie aller adligen Häuser bei, lehrte sie die Welt kennen, war ihr Berater in der Kunst der Toilette und der Unterhaltung, führte sie von Theater zu Theater, ließ sie einen Literatur- und Geschichtskursus durchmachen. Diese Erziehung vollendete er mit der Sorgfalt des Liebhabers, des Vaters, des Herrn und Gatten. Doch hielt er in wohlverstandener Mäßigung mit den Freuden und Lehren Haus, ohne die religiösen Vorstellungen zu vernichten. Kurz, er führte sein Unternehmen mit vollendeter Meisterschaft durch.
Nach Verlauf von vier Jahren hatte er zu seiner Genugtuung die Gräfin von Vandenesse zu einer der liebenswürdigsten und hervorragendsten Frauen der Neuzeit gemacht. Maria Angelika hegte für Felix genau das Gefühl, das er ihr einzuflößen wünschte: wahre Freundschaft, vollempfundene Dankbarkeit und schwesterliche Liebe, die sich zur rechten Zeit mit edler und würdiger Zärtlichkeit mischte, wie sie zwischen Mann und Frau herrschen soll. Sie wurde Mutter und war eine gute Mutter. Felix fesselte seine Frau also durch alle möglichen Bande an sich, ohne daß er sie zu knebeln schien. Von den Reizen der Gewohnheit erhoffte er sich ein wolkenloses Glück. Solche Weisheit und ein solches Verfahren ist nur für Männer möglich, die das Leben von Grund aus kennen und den Zirkel der Enttäuschungen in der Politik wie in der Liebe durchmessen haben. Zudem hatte Felix an seinem Werk eine echte Künstlerfreude, genau wie ein Maler, ein Schriftsteller, ein Baumeister, der ein Denkmal aufrichtet. Ja, er genoß es doppelt, indem er sich seinem Werk widmete und den Erfolg sah, indem er seine erfahrene und naive, geistreiche und natürliche, liebenswürdige und keusche Frau bewunderte, die, junges Mädchen und Mutter zugleich, völlig frei und doch gefesselt war. Die Geschichte der glücklichen Ehen gleicht der Geschichte der glücklichen Völker. Sie läßt sich in zwei Zeilen schreiben und hat nichts von Literatur. Und da das Glück sich nur durch sich selber erklären läßt, so können diese vier Jahre nichts liefern, was nicht zart ist wie das Leingrau ewiger Liebe, fad wie Manna und nicht unterhaltender als ein Schäferroman.
Im Jahre 1833 drohte das Gebäude des Glückes, das Felix gezimmert hatte, einzustürzen. Es war in seinen Grundfesten erschüttert, ohne daß er es ahnte. Das Herz einer fünfundzwanzigjährigen Frau ist nicht mehr das gleiche, wie das eines achtzehnjährigen Mädchens, ebenso wie das Herz
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