Eine Evatochter (German Edition)
daß ihr Verkehr mit der Gräfin ihrem Gatten unbequem war. Sie verziehen ihm sein Mißtrauen nicht, verdoppelten ihre Fürsorge und Zuvorkommenheit für ihre Nebenbuhlerin und verhalfen ihr zu einem Riesenerfolge – zum großen Mißfallen der Marquise von Listomère, die nichts davon begriff. Man rühmte die Gräfin Felix von Vandenesse als reizendste, geistreichste Frau in Paris. Maries zweite Schwägerin, die Marquise Charles von Vandenesse, empfand es als höchst peinlich, daß sogar ihr Name zu Verwechslungen führte und zu Vergleichen anregte. Obwohl die Marquise auch eine sehr schöne und sehr geistreiche Frau war, stellten ihre Nebenbuhlerinnen ihr ihre Schwägerin um so lieber entgegen, als die Gräfin zwölf Jahre jünger war. Die Damen wußten, wie sehr die Erfolge der Gräfin das Verhältnis zu ihren beiden Schwägerinnen trüben mußten. Diese wurden denn auch kalt und unhöflich gegen die siegreiche Marie Angelika. Das waren gefährliche Verwandte, geheime Feindinnen.
Wie jedermann weiß, kämpfte die Literatur damals gegen die allgemeine Gleichgültigkeit, die das politische Drama hervorgerufen hatte. Sie brachte mehr oder weniger an Byron gemahnende Werke hervor, die von nichts handelten als von »Eheirrungen«. Damals gaben die Verstöße gegen den Ehekontrakt den Stoff für die Zeitschriften, Bücher und Theaterstücke her. Dies ewige Thema war damals mehr denn je in Mode. Der Liebhaber, das Schreckgespenst der Ehemänner, war überall, außer vielleicht in den Ehen selbst, wo es in diesem Bourgeoiszeitalter weniger Liebhaber gab denn je. Wenn alles an die Fenster stürzt, Achtung schreit und die Straßen beleuchtet – zeigen sich dann die Diebe wohl? Gab es in jenen Jahren, die so reich an städtischen, politischen und moralischen Aufregungen waren, auch eheliche Katastrophen, so waren es doch nur Ausnahmen, die nicht so beachtet wurden, wie in der Restaurationszeit. Trotzdem sprachen die Damen untereinander viel von dem Thema, das damals die beiden Formen der Dichtung, Buch und Theaterstück, beherrschte. Oft war die Rede von dem Liebhaber, diesem seltnen und so erwünschten Wesen. Die bekannten Abenteuer bildeten den Gesprächsstoff, und diese Diskussionen wurden wie stets von makellosen Frauen geführt. Etwas verdient Beachtung, nämlich die Ablehnung derartiger Gespräche durch die Frauen, die ein unerlaubtes Glück genießen. Sie benehmen sich in der Gesellschaft prüde, zurückhaltend, ja fast schüchtern; sie scheinen jedermann um Schweigen oder um Vergebung für ihr Vergnügen zu bitten. Hört eine Frau dagegen gern von solchen Katastrophen reden, läßt sie sich die Wonnen erklären, die einen Fehltritt rechtfertigen, so kann man annehmen, daß sie am Kreuzweg der Unentschlossenheit steht und nicht weiß, welche Richtung sie einschlagen soll.
In jenem Winter hörte die Gräfin von Vandenesse die laute Stimme der Welt an ihr Ohr dröhnen, und der Sturmwind umpfiff sie. Ihre angeblichen Freundinnen, die ihren Ruf durch den Klang ihrer Namen und die Höhe ihrer Stellung in Händen hielten, malten ihr häufig die verführerische Gestalt des Liebhabers aus und warfen in ihre Seele Feuerworte über die Liebe, – des Rätsels Lösung, das den Frauen das Leben aufgibt, die große Leidenschaft, die nach dem Wort der Frau von Staël ein Beispiel gibt. Fragte die Gräfin in kleinem Kreise naiv, welcher Unterschied zwischen einem Liebhaber und einem Gatten bestände, so antwortete ihr jede der Damen, die Vandenesse ein Unglück wünschten, unfehlbar in einer Weise, die ihre Neugier stachelte, ihre Phantasie erregte, ihr Herz packte und ihre Seele fesselte.
»Mit seinem Gatten vegetiert man nur, meine Liebe, mit einem Liebhaber lebt man,« sagte ihre Schwägerin, die Marquise von Vandenesse.
»Die Ehe, mein Kind, ist unser Fegefeuer, die Liebe ist das Paradies,« sagte Lady Dudley.
»Glauben Sie es nicht!« rief Fräulein Destouches aus, »sie ist die Hölle!«
»Aber eine Hölle, in der man liebt,« bemerkte die Marquise von Rochefide. »Man hat oft mehr Freude am Leiden als am Glück, siehe die Märtyrer!«
»An der Seite eines Gatten, kleine Unschuld,« sagte die Marquise von Espard, »leben wir sozusagen unser eignes Leben. Aber lieben, das heißt das Leben eines andern leben.«
»Ein Liebhaber ist die verbotene Frucht, ein Wort, das für mich alles sagt,« lachte die hübsche Moïna von Saint-Hérem.
Ging die Gräfin nicht zu einem diplomatischen Rout oder zum Ball bei reichen
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