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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Felix wartete, bis du Tillet seine Frau verlassen hatte, und ging dann hin, um sie abzuholen. Welche Empfindungen durchtobten Maries Herz, als sie über den Korridor ging, die Loge ihrer Schwester betrat und dort vor aller Welt mit ruhiger und heitrer Stirn Platz nahm! Man wunderte sich, sie beisammen zu sehen.
    »Nun?« fragte sie.
    Marie Eugenies Gesicht gab die Antwort. Eine naive Freude glänzte darauf, von vielen für befriedigte Eitelkeit gehalten.
    »Er wird gerettet, Liebste, aber nur für drei Monate. Inzwischen werden wir zusehen, wie wir ihm wirksamer helfen. Frau von Nucingen verlangt vier Wechselbriefe auf je 10 000 Franken, von irgendwem unterschrieben, um dich nicht bloßzustellen. Sie hat mir erklärt, wie sie sein müssen. Ich habe nichts davon verstanden, aber Herr Nathan wird sie dir ausstellen. Ich hatte nun den Einfall, daß Schmuke, unser alter Musiklehrer, uns dabei sehr nützlich sein kann. Er würde sie unterschreiben. Wenn du diesen vier Wechseln einen Brief von dir beifügst, mit dem du Frau von Nucingen gegenüber Bürgschaft leistest, kannst du das Geld morgen haben. Mach alles selbst, vertraue dich niemandem an. Ich glaube, Schmuke wird dir nichts abschlagen. Um allen Verdacht zu zerstreuen, habe ich gesagt, du wolltest unsern alten Musiklehrer, einen Deutschen, dem es schlecht geht, zu Dank verpflichten. Ich konnte also um tiefste Verschwiegenheit bitten.«
    »Du bist klug wie ein Engel! Wenn nur die Baronin von Nucingen nicht schwatzt, nachdem sie das Geld hergegeben hat!« sagte die Gräfin und blickte gen Himmel, wie um Gott anzuflehen, obwohl sie in der Oper war.
    »Schmuke wohnt in der kleinen Rue de Nevers am, Quai Conti. Vergiß es nicht, gehe selbst hin.«
    »Danke!« sagte die Gräfin und drückte ihrer Schwester die Hand. »Ach, ich gäbe zehn Jahre meines Lebens hin ...«
    »Wenn du alt bist ...«
    »Wenn ich damit solche Ängste für immer verbannen könnte,« schloß die Gräfin, über die Einschaltung lächelnd.
    Alle, die ihre Gläser in diesem Moment auf die beiden Schwestern richteten, konnten angesichts ihres harmlosen Lächelns meinen, daß sie sich über irgendwelche Nichtigkeiten aufhielten. Aber einer der Müßiggänger, die weniger zu ihrem Vergnügen in die Oper gehen, als um die Toiletten und Gesichter auszuspionieren, hätte das Geheimnis der Gräfin wohl erraten können, wenn er die heftige Erregung beobachtete, die die Freude aus diesen zwei reizenden Gesichtern verscheuchte. Raoul, der zur Nachtzeit die Gerichtsbeamten nicht fürchtete, erschien bleich, mit unruhigen Blicken und trüber Stirn auf der Treppenstufe, auf der er gewöhnlich stand. Er suchte die Gräfin in ihrer Loge, fand sie leer und vergrub sein Gesicht in den Händen, während er sich gegen die Brüstung lehnte.
    »Kann sie in der Oper sein?« fragte er sich.
    »Sieh uns doch an, armer großer Mann,« sagte Frau du Tillet leise.
    Marie dagegen starrte ihn, auf die Gefahr hin, sich bloßzustellen, mit jenem heftigen Blick an, der den Willen ins Auge verlegt, wie die Sonne ihre Lichtstrahlen aussendet, jenem Blick, der nach den Magnetiseuren die Person durchdringt, auf die er gerichtet ist. Raoul fühlte sich wie von einem Zauberstabe berührt. Er blickte auf und seine Augen trafen plötzlich die Blicke der beiden Schwestern. Mit der wunderbaren Geistesgegenwart, die die Frauen nie verläßt, griff Frau von Vandenesse nach einem Kreuz, das auf ihrem Busen spielte, und zeigte es ihm mit einem raschen, bedeutsamen Lächeln. Das Juwel strahlte bis auf Raouls Stirn, und er antwortete mit einem freudigen Ausdruck: er hatte verstanden.
    »Ist das gar nichts, Eugenie,« sagte die Gräfin zu ihrer Schwester, »wenn man derart die Toten wieder auferweckt?«
    »Du kannst Mitglied der Gesellschaft für Schiffbrüchige werden,« antwortete Eugenie lächelnd.
    »Wie traurig und niedergeschlagen ist er gekommen, und wie zufrieden wird er gehen!«
    »Na, wie geht's dir, mein Lieber?« fragte du Tillet Raoul und drückte ihm die Hand. Er sprach ihn mit allen Zeichen der Freundschaft an.
    »Wie einem, der die besten Nachrichten über die Wahlen erhalten hat,« antwortete Raoul strahlend.
    »Ich werde gewählt werden.«
    »Entzückt,« entgegnete du Tillet. »Wir brauchen aber Geld für die Zeitung.«
    »Das findet sich,« sagte Raoul.
    »Die Frauen haben den Teufel für sich!« sagte du Tillet, ohne weiter auf Raouls Worte einzugehen.
    »Wieso?«
    »Meine Schwägerin ist bei meiner Frau,« sagte der Bankier.

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