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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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mit seltner Einmütigkeit gehütet werden. Aber schließlich dachte sie an die Zukunft ihrer Schwester. Sie zitterte, sie eines Tages verlassen zu sehen, von Nathan zugrunde gerichtet, arm, leidend, unglücklich, verzweifelt. Da zauderte sie nicht länger und bat den Grafen, sie zu empfangen. Felix war über ihren Besuch erstaunt. Er hatte mit seiner Schwägerin eine lange Unterredung, in der er so ruhig, so voller Selbstbeherrschung blieb, daß sie zitterte, er möchte einen furchtbaren Entschluß fassen.
    »Beunruhigen Sie sich nicht,« sagte Vandenesse zu ihr. »Ich werde mich so benehmen, daß die Gräfin Sie noch einmal segnen wird. So sehr es Ihnen widerstreben mag, ihr gegenüber zu schweigen, nachdem Sie mich aufgeklärt haben, geben Sie mir ein paar Tage Zeit. Ich brauche ein paar Tage, um hinter Geheimnisse zu kommen, die Sie nicht bemerken, und vor allem, um mit Umsicht zu handeln. Vielleicht erfahre ich alles auf einmal! Schuldig bin ich allein, Schwägerin. Alle Verliebten spielen ihr Spiel, aber nicht alle Frauen haben das Glück, das Leben so zu sehen, wie es ist.«
    Frau du Tillet verließ ihn beruhigt. Felix von Vandenesse hob sofort 40 000 Franken bei der Bank von Frankreich ab und fuhr zu Frau von Nucingen. Er traf sie, dankte ihr für das Vertrauen, das sie seiner Frau bewiesen hatte, und gab ihr das Geld zurück. Der Graf erklärte diese geheimnisvolle Anleihe mit den Torheiten eines Wohltätigkeitsdranges, dem er Schranken setzen wollte.
    »Geben Sie mir keine Erklärungen, Herr Graf,« sagte die Baronin von Nucingen, »denn Ihre Gattin hat Ihnen ja alles gestanden.«
    »Sie weiß alles,« sagte sich Vandenesse.
    Die Baronin gab ihm die Bürgschaft zurück und ließ die vier Wechselbriefe holen. Währenddessen schaute Vandenesse die Baronin mit dem feinen Blick des Staatsmannes an, der sie fast beunruhigte. Ihm schien die Stunde für Verhandlungen günstig. »Wir leben in einer Zeit, Frau Baronin, wo nichts sicher ist,« begann er. »Die Throne erheben sich und verschwinden in Frankreich mit erschreckender Schnelligkeit. Fünfzehn Jahre genügen für ein großes Kaiserreich, eine Monarchie und eine Revolution. Niemand könnte es wagen, für die Zukunft zu bürgen. Sie wissen, ich bin Legitimist. Diese Worte haben in meinem Munde nichts Sonderbares. Nehmen Sie eine Katastrophe an: wären Sie nicht froh, einen Freund in der siegreichen Partei zu haben?«
    »Gewiß,« lächelte sie.
    »Nun wohl, wollen Sie in mir einen Mann haben, der Ihnen insgeheim verpflichtet ist und der Ihrem Gemahl unter Umständen zu dem verhilft, wonach er strebt, zum Pair von Frankreich?«
    »Was wollen Sie von mir?« rief sie aus.
    »Wenig,« antwortete er. »Alles, was Sie über Nathan wissen.«
    Die Baronin wiederholte ihm, was sie am Morgen mit Rastignac gesprochen hatte. Als sie dem früheren Pair von Frankreich die vier Wechselbriefe zurückgab, die der Kassierer ihr gebracht hatte, sagte sie:
    »Vergessen Sie Ihre Zusage nicht.«
    Vandenesse vergaß diese blendende Zusage so wenig, daß er sie auch vor dem Baron von Rastignac leuchten ließ, um ein paar andre Auskünfte zu erhalten.
    Als er ihn verließ, diktierte er einem Straßenschreiber einen Brief an Florine.
    »Wenn Fräulein Florine die erste Rolle wissen will, die sie spielen wird, so wird sie gebeten, zum nächsten Opernball zu kommen und Herrn Nathan mitzubringen.«
     
    Als er den Brief zur Post gegeben hatte, ging er zu seinem Agenten, einem geriebenen und gewandten, aber ehrlichen Burschen. Ihn bat er, die Rolle eines Freundes zu spielen, dem Schmuke den Besuch der Frau von Vandenesse anvertraut hatte, weil er sich nachträglich über die Bedeutung der viermal geschriebenen Worte Akzept für 10 000 Franken Sorgen gemacht hätte. Er sollte Herrn Nathan um einen Wechselbrief von 40 000 Franken als Gegenwert bitten. Das hieß ein hohes Spiel spielen. Nathan konnte schon erfahren haben, wie die Dinge verlaufen waren, aber hier galt es, etwas zu wagen, um viel zu gewinnen. Marie konnte in ihrer Verwirrung wohl vergessen haben, ihren Raoul um einen Gegenwert für Schmuke zu bitten. Der Geschäftsmann ging sofort zur Zeitung und kehrte um 5 Uhr triumphierend mit einem Gegenwert von 40 000 Franken zurück. Schon bei den ersten Worten, die er mit Nathan wechselte, hatte er sich als Abgesandter der Gräfin hinstellen können.
    Dieser Erfolg zwang Felix, seine Frau daran zu hindern, Raoul bis zu dem Opernball zu sehen. Er wollte selbst mit ihr hingehen und ihr

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