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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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denn seine Frau kam mit allen Briefen Nathans zurück und händigte sie ihm aus.
    »Richte mich,« sagte sie und warf sich ihm zu Füßen.
    »Kann man richten, wenn man liebt?« antwortete er.
    Er nahm die Briefe und warf sie ins Feuer. Denn später hätte seine Frau es ihm vielleicht nicht verziehen, sie gelesen zu haben. Maries Kopf lag auf den Knien des Grafen; sie zerfloß in Tränen.
    »Mein Kind, wo sind deine Briefe?« fragte er, ihren Kopf aufrichtend.
    Bei dieser Frage fühlte die Gräfin nicht mehr die unerträgliche Glut auf den Wangen. Sie fröstelte.
    »Damit du deinen Mann nicht im Verdacht hast, den Mann zu verleumden, den du deiner für würdig hieltest, soll dir Florine deine Briefe selbst zurückgeben.«
    »Oh, warum soll er sie nicht auf meine Bitte zurückgeben?«
    »Und wenn er sich weigerte?«
    Die Gräfin senkte das Haupt.
    »Die Welt ist mir zuwider,« sagte sie. »Ich gehe nicht mehr aus. Ich will allein mit dir leben, wenn du mir verzeihst.«
    »Da könntest du dich vielleicht langweilen. Zudem, was würde die Welt sagen, wenn du sie plötzlich verließest? Im Frühjahr werden wir reisen, nach Italien gehen, Europa durchstreifen, bis du mehr als ein Kind zu erziehen hast. Wir können nicht umhin, morgen auf den Opernball zu gehen, denn auf andre Weise kommen wir nicht zu deinen Briefen, ohne uns bloßzustellen. Und wenn Florine sie dir bringt, gesteht sie damit nicht ihre Macht ein?«
    »Und ich soll das mit ansehen?« fragte die Gräfin entsetzt.
    »Übermorgen früh.«
    Am nächsten Tage um Mitternacht auf dem Opernball ging Nathan im Foyer spazieren und führte eine sehr ehelich aussehende Maske am Arm. Als er zwei- bis dreimal die Runde gemacht hatte, wurde er von zwei maskierten Damen angeredet.
    »Armer Narr, du richtest dich zugrunde. Marie ist hier und sieht dich,« sagte Vandenesse, als Frau verkleidet, zu ihm.
    »Wenn du mich anhören willst, so verrate ich dir Geheimnisse, die Nathan dir verborgen hat, und du wirst erkennen, welche Gefahren deiner Liebe zu ihm drohen,« sagte die Gräfin zitternd zu Florine.
    Nathan hatte Florines Arm jählings losgelassen und folgte dem Grafen, der in der Menge vor seinen Blicken verschwand. Florine setzte sich neben die Gräfin, die sie auf eine Bank neben Vandenesse zog. Dieser war zu ihr zurückgekehrt, um sie zu beschützen.
    »Nun heraus mit der Sprache, meine Liebe,« sagte Florine, »und glaube nicht, daß du mich lange zum besten hältst. Niemand auf der Welt kann mir Raoul entreißen. Er ist mein aus Gewohnheit, das ist soviel wert wie die Liebe.«
    »Zunächst – bist du Florine?« fragte Felix mit unverstellter Stimme.
    »Schöne Frage! Wenn du's nicht weißt, wie soll ich dir da glauben, Hanswurst?«
    »Geh und frage Nathan, der eben die Liebste sucht, von der ich rede, wo er vor drei Tagen genächtigt hat! Er hat sich mit Kohlengas erstickt, Kleine, ohne daß du es wußtest, weil er kein Geld hatte. So gut Bescheid weißt du über die Geschäfte eines Mannes, den du angeblich liebst. Du läßt ihn ohne einen Groschen und er bringt sich um. Oder vielmehr, er bringt sich nicht um, er verfehlt sich. Ein verfehlter Selbstmord ist ebenso lächerlich wie ein Zweikampf ohne Schramme.«
    »Du lügst,« sagte Florine. »Er hat an dem Tage bei mir gegessen, und zwar nach Sonnenuntergang. Der arme Kerl wurde verfolgt. Er hat sich versteckt, das ist alles.«
    »Geh doch nach der Rue du Mail, ins Hotel du Mail, und frage, ob er nicht sterbend von einer schönen Dame hingebracht wurde, mit der er seit Jahr und Tag verkehrt. Und die Briefe deiner Nebenbuhlerin sind vor deiner Nase in deinem Hause versteckt. Willst du Nathan einen Denkzettel geben, so wollen wir alle drei zu dir gehen. Da werde ich dir den Beweis erbringen, daß du ihn daran hindern kannst, binnen kurzem nach der Rue de Clichy zu wandern, wenn du ein braves Mädchen sein willst.«
    »Suche andern das weiszumachen, mein Kleiner,« sagte Florine. »Ich bin sicher, Nathan kann in niemand verliebt sein.«
    »Du möchtest mir vorreden, er hätte seine Aufmerksamkeit für dich seit einiger Zeit verdoppelt, aber das beweist doch gerade, daß er sterblich verliebt ist ...«
    »Er, in eine vornehme Dame? ...« sagte Florine.
    »Wegen so was rege ich mich nicht auf.«
    »Nun schön. Willst du von ihm selbst hören, daß er dich heute nacht nicht nach Hause begleitet?«
    »Wenn er mir das sagt,« antwortete Florine, »so will ich mit dir nach meiner Wohnung gehen, und wir werden die Briefe

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