Eine Evatochter (German Edition)
zurückverlangte. Seitdem habe ich einen solchen Auftritt nicht mehr erlebt, solche stille Wut, solche unverschämte Majestät, solch indianerhaftes Benehmen. Ist dir nicht wohl, Marie?«
»Nein, das Feuer ist zu stark.«
Die Gräfin warf sich auf ein Sofa. Plötzlich wurde sie von einer jener Regungen ergriffen, die sich unmöglich voraussehen lassen, einer Folge des verzehrenden Schmerzes der Eifersucht. Sie richtete sich auf ihren zitternden Beinen empor, verschränkte die Arme und schritt langsam auf ihren Gatten zu.
»Was weißt du?« fragte sie ihn. »Du bist nicht der Mann, mich zu quälen. Du brächtest mich um, ohne mich leiden zu lassen, falls ich schuldig wäre.«
»Was soll ich denn wissen, Marie?«
»Nun, Nathan?«
»Du glaubst ihn zu lieben,« entgegnete er. »Aber du liebst ein Hirngespinst, das aus Phrasen besteht.«
»Du weißt also ...?«
»Alles,« sagte er.
Dies Wort fiel wie ein Keulenschlag auf Maries Haupt.
»Wenn du willst,« fuhr er fort, »will ich nie etwas wissen. Du bist in einen Abgrund geraten, mein Kind. Ich muß dich herausziehen. Ich habe bereits daran gedacht.«
Er zog die Bürgschaft und die vier Wechselbriefe von Schmuke aus der Tasche. Die Gräfin erkannte sie. Er warf sie ins Feuer.
»Was wäre aus dir in drei Monaten geworden, arme Marie? Du wärest von den Gerichtsdienern vor die Schranken gezerrt worden. Blicke nicht nieder, demütige dich nicht. Du warst ein Opfer der schönsten Gefühle. Du hast mit der Poesie geliebäugelt, nicht mit einem Manne. Alle Frauen, alle, verstehst du, Marie, wären an deiner Stelle verführt worden. Wir Männer, die wir in zwanzig Jahren tausend Torheiten begangen haben, wären recht töricht, zu verlangen, daß ihr kein einziges Mal in eurem Leben unvernünftig seid! Gott behüte mich, über dich zu triumphieren, oder dich mit einem Mitleid zu demütigen, das du neulich so heftig zurückwiesest. Vielleicht meinte der Unglücksmann es ehrlich, als er dir schrieb, ehrlich, als er Selbstmord beging, ehrlich, als er am selben Abend zu Florine zurückkehrte. Wir sind weniger wert als ihr. Ich rede hier nicht für mich; sondern für dich. Ich bin nachsichtig, aber die Gesellschaft ist es nicht, sie meidet eine Frau, die Aufsehen erregt hat. Sie will nicht, daß sich vollkommenes Glück mit Achtung paart. Ob das recht ist, weiß ich nicht. Die Welt ist grausam, das ist alles. Vielleicht ist sie im ganzen neidischer, als im einzelnen. Ein Dieb, der im Theater sitzt, klatscht beim Siege der Unschuld Beifall und nimmt ihr beim Hinausgehen ihre Schmucksachen ab. Die Gesellschaft weigert sich, die Übel zu lindern, die sie selbst erzeugt. Sie erweist dem geschickten Betrüger alle Ehren und hat keinen Lohn für die unbekannte Hingebung. Ich kenne und sehe das alles. Aber ich kann die Welt nicht verbessern. Zum mindesten aber steht es in meiner Macht, dich vor dir selbst zu schützen. Es handelt sich hier um einen Mann, der dir nichts als Unglück bringt, nicht um jene heilige, weihevolle Liebe, die uns bisweilen Entsagung gebietet und ihre Entschuldigung in sich trägt. Vielleicht war es unrecht von mir, dein Glück nicht abwechslungsreicher zu gestalten und den stillen Freuden keine unruhigen Vergnügungen, Reisen und Zerstreuungen entgegenzusetzen. Ich kann mir übrigens sehr wohl erklären, was dich einem berühmten Manne entgegengetrieben hat. Es war der Neid, den du bei einigen Damen erregtest. Lady Dudley, Frau von Espard, Frau von Manerville und meine Schwägerin Emilie sind mitschuldig daran. Die Damen, vor denen ich dich gewarnt hatte, haben deine Neugier bestärkt, mehr, um mir Kummer zu machen, als um dich in die Stürme hineinzustoßen, die hoffentlich über dich hingebraust sind, ohne dich zu berühren.«
Bei diesen gütigen Worten wurde die Gräfin von tausend widersprechenden Empfindungen ergriffen. Aber den Sturm überglänzte eine lebhafte Bewunderung für Felix. Edle und stolze Seelen erkennen sofort das Zartgefühl, mit dem man sie behandelt. Dieser Takt ist für die Seelen das gleiche, wie die Anmut für den Leib. Marie würdigte diese Hochherzigkeit, die sich bemühte, sich vor einer strauchelnden Frau zu demütigen, um ihr das Erröten zu ersparen. Sie lief wie wahnsinnig fort und kehrte wieder um, in dem Gedanken, dies Benehmen könnte ihren Gatten besorgt machen. »Warte einen Augenblick,« sagte sie und verschwand.
Felix hatte ihr die Entschuldigung leicht gemacht. Er wurde für seine Geschicklichkeit prompt belohnt,
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