Eine Evatochter (German Edition)
dachten also an uns?« fragte sie ihn.
»Tuchurs en manchant mon bain. Stets, wenn ich mein Brot aß,« entgegnete er. »T'aport gomme hà mes pienfaidrices, et puis gomme au teusse bremières cheunes files tignes t'armur ké chaie fies! Zuerst an meine Wohltäterinnen und dann an die zwei ersten jungen Mädchen, die ich sah, die der Liebe würdig sind.«
Die Gräfin wagte nichts mehr zu sagen. In diesen Worten lag eine unsägliche, ehrerbietige, treue und religiöse Feierlichkeit. Dies verräucherte Stübchen voll alten Gerümpels war ein Tempel, in dem zwei Gottheiten wohnten. Das Gefühl wuchs darin mit jeder Stunde, denen unbewußt, die es einflößten.
»Dort,« sagte sie sich, »werden wir also geliebt, wirklich geliebt.«
Die innere Erregung, mit der der alte Schmuke die Gräfin ihren Wagen besteigen sah, hatte auch sie ergriffen. Sie warf ihm mit den Fingerspitzen eine jener zierlichen Kußhände zu, mit denen die Damen sich aus der Entfernung guten Tag zuwinken. Bei diesem Zeichen blieb Schmuke lange wie angewurzelt stehen, auch nachdem der Wagen verschwunden war. Kurz darauf fuhr die Gräfin in den Hof des Hauses Nucingen ein. Die Baronin war noch nicht aufgestanden; um aber eine Dame von Stand nicht warten zu lassen, warf sie einen Morgenrock und einen Schal um.
»Es handelt sich um ein gutes Werk, Frau Baronin,« sagte die Gräfin. »Geschwindigkeit ist in diesem Falle eine Gnade. Sonst hätte ich Sie nicht so früh gestört.«
»Wieso! Ich bin ja hoch erfreut,« versetzte die Bankiersgattin und nahm die vier Wechselbriefe und die Bürgschaft der Gräfin in Empfang. Dann schellte sie nach ihrer Kammerzofe.
»Therese, sagen Sie dem Kassierer, er soll mir persönlich sofort 40 000 Franken heraufbringen.«
Dann versiegelte sie das Schriftstück der Frau von Vandenesse und legte es in eine Geheimschublade ihres Tisches.
»Sie haben ein reizendes Zimmer,« versetzte die Gräfin.
»Mein Gatte will es mir fortnehmen; er läßt ein neues Haus bauen.«
»Dies Haus bekommt dann wohl Ihr Fräulein Tochter? Man spricht ja von ihrer Ehe mit Rastignac.«
Der Kassierer erschien, als Frau von Nucingen antworten wollte. Sie nahm die Banknoten und gab ihm die vier Wechselbriefe.
»Das gleicht sich aus,« sagte sie zu dem Kassierer. »Sauve l'esgomde, ohne den Diskont,« sagte der Kassierer. »Sti Schmuke, il êdre ein misicien te Ansbach. Sieh da, Schmuke, das ist ein Musiker aus Ansbach,« setzte er hinzu, als er die Unterschrift erkannte. Die Gräfin erblaßte.
»Mache ich denn Geschäfte?« fragte Frau von Nucingen und schalt den Kassierer mit einem hochmütigen Blick. »Das ist meine Sache.«
Umsonst schielte der Kassierer abwechselnd die Gräfin und die Baronin an; ihre Mienen blieben unbeweglich.
»Gehen Sie, lassen Sie uns,« sagte Frau von Nucingen. Und zu Frau von Vandenesse: »Seien Sie so freundlich, noch ein Weilchen zu bleiben, damit die Leute nicht denken, daß Sie an der Sache beteiligt sind.«
»Ich möchte Sie bitten,« fügte die Gräfin hinzu, »mir nach so vielen Gefälligkeiten auch noch die zu erweisen, das Geheimnis zu wahren.«
»Bei einem guten Werk ist das selbstverständlich,« antwortete die Baronin lächelnd. »Ich lasse Ihren Wagen ans Ende des Gartens schicken; er fährt ohne Sie ab. Wir gehen dann zusammen durch den Garten, niemand sieht Sie das Haus verlassen. So bleibt alles völlig unerklärlich.«
»Sie haben die Grazie einer Frau, die viel gelitten hat,« versetzte die Gräfin.
»Ich weiß nicht, ob ich Grazie besitze, aber viel gelitten habe ich,« sagte die Baronin. »Sie haben die Ihre hoffentlich billiger erworben.«
Die Baronin ließ sich Pelzpantoffeln und einen Pelz bringen und geleitete die Gräfin zu der kleinen Gartenpforte.
Wenn ein Mann einen Plan gesponnen hat, wie du Tillet gegen Nathan, so vertraut er ihn niemanden an. Nucingen wußte zwar darum, aber seine Frau stand diesen machiavellistischen Berechnungen völlig fern. Allerdings ließ sich die Baronin, die von Raouls Verlegenheit wußte, von den beiden Schwestern nicht irreführen. Sie hatte wohl erraten, in welche Hände dies Geld kommen sollte. Es war ihr aber sehr lieb, die Gräfin zu Dank zu verpflichten; zudem hatte sie tiefes Mitgefühl mit derartigen Verlegenheiten. Rastignac, der die Machenschaften der beiden Bankiers zu durchschauen vermochte, kam zum Frühstück zu Frau von Nucingen. Delphine und Rastignac hatten vor einander keine Geheimnisse; sie erzählte ihm den Vorfall mit der
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