Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
den Kaffee aus und stand auf.
Es war, als hätte ich etwas Ungehöriges getan.
Auf dem Rückweg, kaum hatten wir das sich in grüner Nässe auflösende Tal des Cakor verlassen, hielt Mehmed das Auto an. Der Ford keuchte müde. Die Augen des Türken glänzten wie Weintrauben. Er biß sich nervös auf die Lippen.
Er würde gerne zurückgehen, seufzte er, zurück zu Patra Xandar, und sich das Gedicht noch einmal anhören. Worauf ich sagte, das könne ich ihm doch ebensogut rezitieren, er aber flüsterte, Allah sei groß und weise, doch er möchte das Gedicht lieber aus Patra Xandars Mund wiederhören.
Schließlich kamen wir glücklich zu Hause an.
Ich ließ Milenka Carica ausrichten, ich hätte, wie befohlen, Patra Xandar getroffen. Ob ich verstünde, bogati, fragte Milenka Carica, was der Sinn der Sache gewesen sei. Ich ließ ausrichten, es würde mich sehr verletzen, daß sie mich für so einfältig hält, denn wenn ich in den Details oder in den Bruchstücken unseres Lebens auch manchmal Unsicherheit zeige, was das Wesentliche anbelangt, habe ich keine Zweifel. Ich war nicht ehrlich. Ich verstand immer noch nicht ganz, wieso ich zum Kosovo Polje reisen und wieso ich Patra Xandar aufsuchen mußte.
Doch an jenem Abend, als ich gerade neue Beine für ein totes Kind entwarf und die schwarz verschleierte, dünne Mutter davon zu überzeugen suchte, daß meine Männer kein Flickwerk ablieferten, und sollte die eine oder andere Lösung doch nicht so ausfallen, wie wir das gerne hätten, sei die Sache leicht zu verbessern und zu beheben, jawohl, damit war ich gerade beschäftigt, als ich erfuhr, was Milenka Carica mir befahl. Sie steckte tatsächlich in großen Schwierigkeiten. Einige ihrer Männer fielen in mein Haus ein, verjagten meine Kunden und schlugen auf mich ein. Sie waren betrunken oder nur lange nicht mehr nüchtern gewesen. Sie brüllten herum, sie würden mir ein Bein abschneiden. Mehmed rettete mich, indem er mit einer Kanne Benzin in der Hand und einer Zigarette im Mund hinter ihnen stehen blieb und sie nur anstarrte, mit einer Unschuld, wie nur zur Lüge unfähige türkische Tomatenpolierer es können.
Eine großartige Wahl hatte ich auch so nicht. Was hätte ich schon tun können, ab jetzt mußte ich eine Weile für Milenka Carica arbeiten. Trotzdem tat ich es irgendwie mit Freude, denn ich konnte mich ganz auf meine Phantasie und meine Intuition verlassen. Ich wollte Milenka Carica, die in großen Schwierigkeiten war, überraschen und verzaubern. Die Schwierigkeiten anderer sind ein gutes Geschäft für mich, das Unglück anderer erfüllt mich mit Ideen und phantastischen Vorstellungen. Ich nenne ein Beispiel. Einmal, noch zu Beginn des Krieges, trat ein guter Mann Milenka Caricas, ein jungblonder Krieger, vielleicht hieß er Bogabog, irgendwo an der slowenischen Grenze auf eine wendische Mine. Man brachte mir diesen frohgemuten, lustigen Burschen, dessen Seele noch nicht einmal diese lebensgroße Tragödie wirklich brechen konnte. Sein linkes Bein wurde ihm bis zum Oberschenkelhals amputiert. Er blickte mich an wie einen Wohltäter. Er bat mich, ihm zu helfen, aber nicht auf die übliche Art, nicht so, wie ich allen anderen half, er sei immer schon für seine außergewöhnlichen Lösungen, seine interessanten Charakterzüge berühmt gewesen. Ich bat um eine einzige Nacht. Bis zum nächsten Tag hatte ich geträumt, was ich zu tun hatte. Ich baute dem Krieger Bogabog ein künstliches Bein, das er leicht an den Schenkelhals schnallen konnte, doch das künstliche Bein endete mit dem halben Unterschenkel, war also auch selbst, sozusagen, eine fragmentarische Form. Bogabog lachte, daß ihm die Tränen kamen. An genau so etwas hatte er gedacht, er klopfte sich auf den anderen Schenkel und beschenkte mich reich.
Auf Geschenke zählte ich auch von Milenka Caricas Seite. Mehmed lieferte die Sendungen aus. Mein armer Türke kehrte erschöpft zurück, starrte verschwiegen vor sich hin. Ab und zu kratzte er sich an der Zunge, man hatte ihn wahrscheinlich ziemlich übel zugerichtet.
Milenka Carica ist unzufrieden, flüsterte er.
Bei Allahs Augenbrauen, so was habe er noch nie gehört, murmelte er. Milenka Carica will bewegliche Zehen!
Dobro, dobro, ist das ein Problem?!
Suti, Mehmed, lache, wenn der kleine Vogel auf dich herunterblutet! Daran soll’s nicht scheitern!
Ich fabrizierte bewegliche Zehen. Da kam Milenka Carica mit dem Einwand, die zugesandten Muster wären zu braun. Dann war das linke Bein zu
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