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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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persönlich und ausschließlich für sie, lächelte der Major. Und das dürfte nicht sein. Milenka Carica habe Schuld auf sich geladen. Und wer Schuld auf sich geladen habe, werde dafür büßen, früher oder später.
    Er zündete sich ein Streichholz am Knöchel an und begann, eine Zigarre zu rauchen.
    Ach so, sagte ich.
    Milenka Carica erstickt an ihren Sorgen, sagte er.
    Der Major streckte sich ausgiebig, nun müsse er gehen.
    Auch ich erhob mich. Wir sahen einander an. Das blaue Schimmern seines Blicks kam von sehr weit her. Dabei regnete es, der Himmel war grau. Die Stirn des Majors bebte, seine Lippen öffneten sich. Die Zähne blitzen. Er beugte sich zu mir. Er flüsterte, als würde ihn gruseln.
    Ob ich ihm nicht ein künstliches Handgelenk schenken könnte, wenn er schon mal hier sei.
    Er lachte leise heraus.
    Rada Hand, lassen Sie mich nicht mit leeren Händen ziehen!
    Ich nickte schwerfällig, und Mehmed sprang sogleich auf. Er brachte ein Handgelenk aus dem 93er Jahrgang, das war eine meiner besten Serien. Selbst The Times , die Neue Zürcher Zeitung und die englische Sun hatten sie erwähnt. Man beschrieb sie als mutige und über jeden Zweifel erhabene Produkte. Leider gelang es mir in den nächsten Jahren nicht, das Ergebnis zu wiederholen. Der Major nickte sanft, streichelte die Finger. Er machte es mit sachverständigen Bewegungen. Er wußte, er hatte ein besonderes Geschenk erhalten. Was er aber nicht ahnte, war, daß mein Plan schon fertig war und nur noch auf die Ausführung wartete, der Plan, bei dem alle gut wegkommen würden, aber am meisten vielleicht ich selbst.
    Nehmen Sie die Straße nach Novabog, rief ich ihm hinterher. Dort lang ist es sehr viel kürzer, Mr. Cambridge!
    Mehmed öffnete verwundert den Mund, er hätte auch bestimmt was gesagt, wenn ich ihm nicht zugezischt hätte, suti, du Idiot, sag ja nichts.
    Nach etwa zwei Minuten hörten wir das Echo der Detonation. Da hatte ich das von Milenka Carica zuletzt zurückgeschickte Muster schon aus dem Haus geholt. Ich starrte es im leichten, belebenden Regen an. Es war Frühling, mild und eigenwillig. Man konnte die Zehen bewegen, auch im Knie beugte es sich geschickt, die Farbe war dem Auge ebenfalls angenehm, aber irgendwie war es doch nicht gut. Nein. Milenka Carica hatte recht. Aber wir hatten es jetzt nicht eilig.
    Der Jeep lag auf die Seite gekippt und qualmte, der Fahrer war tot, der Major nur ohnmächtig. Ein Blutstreifen schlängelte sich über seine Stirn. Seine rechte Hand war zersplittert. Mehmed schüttelte überwältigt den Kopf, bei Allah, wenn das nicht göttliche Vorsehung ist! Konnte der Engländer in die Zukunft sehen?! Währenddessen nahm ich das Jakulevoer Exemplar vom Bein des Majors und tauschte es gegen die von Milenka Carica zurückgeschickte Prothese aus. Selbst wenn der Engländer den Unterschied merkte, würde er es auf das Konto der Explosion schreiben. Mehmed rieb sich erstaunt die Stirn. Und dann begriff er auf einmal, was mein Plan war. Er fuchtelte wild mit dem Jakulevoer Kunstbein herum.
    Dobro, dobro, Chef!
    Und daß er schon unterwegs sei, er bringe es Milenka Carica, die in Schwierigkeiten ist. Ich schüttelte sanft den Kopf. Nein, Mehmed, mein guter Türke, das nicht. Dieses hervorragende Jakulevoer Exemplar werde ich persönlich am Oberschenkel Milenka Caricas anbringen. Und ich werde ihr dabei ein Gedicht ins Ohr flüstern.
    Dobro jutro, dobro jutro!
    Good morrow, good morrow!
    Mehmed, dieses Vergnügen würde ich keinem anderen überlassen.

Rosalia Fugger-Schmidt
    Als Ali Batazar nach Köln zurückfuhr, bat er mich, etwas Wichtiges in meine Obhut zu nehmen. Selbstverständlich, sagte ich zu dem Rasenmeister, für ihn würde ich das tun. Ali Batazar hatte Melinda Pipo in der Stadt Canakkale unweit der Ruinen von Troja gekauft. Das Mädchen war ein echter Flüchtling, und diese Tatsache, das braucht man wohl nicht zu sagen, versprach nichts Gutes. Damals hieß meine Frau Rosalia Fugger-Schmidt, sie war eines der letzten Mitglieder einer sächsischen Familie aus Kronstadt. Um dem Vorwurf berechnender Rührseligkeit zu entgehen, muß ich erwähnen, daß Rosalia Fugger-Schmidt eigentlich nur drei deutsche Wörter kannte: ja, nein und Nille. Zuweilen zischte, schrie, zwitscherte sie auch Warum, meist nur, wenn sie fluchte, die Bedeutung des Wortes kannte sie ja gar nicht. Es stimmt übrigens nicht, daß alle Sachsen in jenen Jahren nach Aachen, Stuttgart oder Kiel übergesiedelt sind, als es genügte,

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