Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
ausfüllen würde. Nicht Melinda Pipo ist meine Liebste. Aber da war es schon zu spät. Als es Frühling wurde, hatte Melinda Pipo, die aus Troja gekommen war, meine Frau aufgegessen. Ich glaube, sie hat sie mit Haut und Haar verschlungen. Eines Morgens setzte sich das Mädchen auf die Veranda und lächelte. Vielleicht hatte sie um dieses sanften Lächelns willen meine Frau aufgefressen. Ich weiß es nicht. Der Himmel sah aus wie mit strahlenden Hirsekörnern bestreut.
Ja, nein, Nille.
Warum.
Ich bin hungrig, sprach Melinda Pipo.
Gib mir zu essen, bettelte sie.
An jenem Vormittag besuchte mich Ali Batazar. An seinem Ledergürtel funkelte ein ziemlich großes Skalpell, er hatte auch einen Zwiebelkranz und murmelte, daß es den Jungs in Köln jetzt nicht gerade gutgehe. Der Direktor sei nervös wie der Wind.
Ei, Ali Baltazar, mach dich nicht über mich lustig!
Es war nicht ernst gemeint, sagte Ali Batazar aus Makó.
Endlich bemerkte er den Körper des Mädchens. Sie lag im Staub, vor der Veranda, wo ich sie liegen gelassen hatte. Es gibt kein Verzeihen. Wirklich nicht.
Arme Melinda, kratzte er sich die Stirn, was hat sie nur?
Naja, sie ist erstickt.
Hat sie sich beim großen Fressen verschluckt?
Ich habe sie erwürgt, Ali Batazar.
Ich verstehe, nickte er wichtigtuerisch.
Von wegen, schüttelte ich den Kopf, du verstehst überhaupt nichts, Ali Batazar, solange du dein Skalpell nicht durch Menschenfleisch geführt hast. Dann trugen wir das tote Mädchen ins Haus. Nun ja. Mein Haus. Daß mein Haus so ist wie die Welt. Man brauchte Melinda Pipo fast nicht zu bewegen. Dann öffnete mein guter Freund aus Makó den Körper und betrachtete mit Genuß das makellose System des Gewebes, des Fleisches, der Organe und Blutgefäße.
Kompliziert, nicht, sagte er, sich umblickend.
Was läßt Rosalia Fugger-Schmidt ausrichten, fragte ich.
Ali Batazar aus Makó betrachtete lange das starre Herz.
Sie läßt dir sagen, du sollst sie heimbringen.
Rosalia Fugger-Schmidt läßt dir sagen, du sollst das Mädchen heimbringen, nach Canakkale, Köln oder Troja.
Damit nähte er den Körper zu und stellte ihn ordentlich auf die Beine. Er gab dem Mädchen etwa zwei nach Zwiebeln aus Makó duftende Ohrfeigen. Melinda Pipo schüttelte sich.
Ich bring dich heim, sagte ich zu Melinda Pipo.
Ich bin hungrig, antwortete sie.
Heimlich begann Schnee zu fallen.
Zaira Arbanassi
Soviel ich weiß, hieß sie Barbara Berlin und hatte vergessen, wie man betet. Sie arbeitete bei den Ausgrabungen von Jakulevo, sie war geradezu besessen von den Freilegungen. Eine zierliche, blonde Frau, deren Kinn von Harz glänzte. In ihrem Reisekoffer hielt sie Giftschlangen und Sternensteine, die sie angeblich während der Ausgrabungen gesammelt hatte. Ich weiß nicht, ob das stimmt, jedenfalls habe ich in Jakulevo nie einen Leichnam gesehen, der einen Meteoriten umkrallt hätte. Barbara Berlin hatte eine außergewöhnlich schöne Vorliebe. Wenn es geregnet hatte, legte sie sich ins Gras und hielt still, bis sich auf ihrem Bauch Schnecken versammelten. Da sie dann immer in einen verklärten Zustand geriet, merkte sie es gar nicht, als einmal eine Wildkatze sie um den Knöchel herum annagte. Von da an humpelte sie ein wenig, doch wenn sie im Zustand der Erregung war, rannte sie mit erhobener Stirn, mit dem Honigschein ihres Kinns leuchtend, in ein dichtes Gestrüpp oder ein ausgetrocknetes Bachbett und zeigte mit stets untrüglicher Sicherheit, wo es sich lohnte, die Erde anzusprechen und aufzuwühlen. Sie war die erfahrenste Spurensucherin in Jakulevo, dabei hatte sie vergessen, wie man betet. Ich weiß nicht. Vielleicht ja deshalb. Vielleicht weil es Menschen gibt, die dazu geboren sind, die anderen im Tod besser zu sehen als im Leben. Ich durfte mich geehrt fühlen, daß ich ihr zugeteilt worden war, daß ich der Schatten ihrer rechten Hand sein durfte, ich keuchte und trabte hinter ihr her und paßte auf ihren Knöchel auf, wenn sie sich nach dem Regen ins Gras legte. Wie ich heiße? Egal. Von meinem Namen später.
Kaum ein paar Wochen, nachdem Barbara Berlin mich angeheuert hatte, griff die Patrouille einen Bauern auf, einen gewissen Emil Arbanassi, der rasch zugab, das eine oder andere zu wissen. Sieh mal an. Als Emil Arbanassi zu reden begann, wurde seine Zunge himmelblau, und jedem war klar, daß er die Wahrheit sagte, nur war mein Verdacht durchaus richtig, daß er etwas verschwieg. Und das ist nicht alles. Wie nicht anders zu erwarten, geriet
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