Eine Frau flieht vor einer Nachricht
betonte, das ganze Volk ergriffen, das ganze Volk vom Fluss Dan bis nach Eilat! Bei Tagesanbruch stürmte sie auf die Station und sang die neuen Lieder, die jetzt jeden Tag geboren wurden, summte sie energisch vor sich hin, während sie Infusionsschläuche umsteckte und aus den Armen von Patienten mit glasigem Blick das Blut herauspresste.Ora wusste schon nicht mehr, ob diese Dinge wirklich passierten, ob sie wirklich Tag und Nacht auf dem dritten Stock eines heruntergekommenen kleinen Krankenhauses eingeschlossen war, in einer Stadt, die sie so gut wie gar nicht kannte; ob man ihren Eltern und Freunden wirklich verboten hatte, sie in ihrem Zimmer zu besuchen, vielleicht waren sie ja doch da gewesen, während sie schlief, hatten ratlos um ihr Bett gestanden und versucht, sie zum Leben zu erwecken, hatten zu ihr gesprochen, ihren Namen gerufen und sich dann entfernt, vielleicht noch einen Blick zurückgeworfen, schade, ein liebes Mädchen, aber was kann man machen, das Leben geht weiter, man muss nach vorne schauen, und außerdem ist Krieg, da braucht man alle Kräfte.
Ich sterbe bald, murmelte Ilan überrascht.
So ein Stuss, sagte Avram, als er erwachte, in ein, zwei Tagen bist du wieder …
Ich wusste, dass mir das passieren würde, sagte Ilan leise, das war von Anfang an klar.
Nein, nein, sagte Avram erschrocken, was redest du da, so darfst du nicht denken.
Und ich hab noch nie ein Mädchen geküsst.
Das wirst du noch, sagte Avram, keine Angst, das kommt noch.
Als ich noch gelebt hab, sagte Ilan danach, vielleicht eine ganze Stunde später, war mit mir einer in der Klasse, der ging mir grad mal bis an die Eier.
Das war ich, sagte Avram grinsend.
Der konnte nicht einen Moment die Klappe halten.
Das bin ich.
Was der für einen Wind gemacht hat.
Das bin ich, ich, lachte Avram.
Den hab ich mir angeschaut und gedacht, als der klein war, hat sein Vater ihn bestimmt halb totgeschlagen.
Wer hat dir das gesagt? Avram erschrak.
Ich schau mir die Leute an, sagte Ilan und schlief ein.
Völlig außer sich breitete Avram seine Flügel aus und flog die Biegung des Flurs entlang, stieß gegen die Wände, bis er schließlich auf seinem Platz landete, auf seinem Stuhl neben Oras Bett, er schloss dieAugen und fiel in einen unruhigen Schlaf. Ora träumte von Ada. In ihrem Traum war sie mit Ada auf der unendlichen weißen Ebene, wo sie fast jede Nacht spazieren gingen, und sie hielten sich an den Händen und schwiegen. In den Träumen der ersten Zeit hatten sie ununterbrochen geredet. Beide sahen schon von weitem den über den Abgrund ragenden Felsen. Ora wollte Ada in die andere Richtung ziehen, doch Ada war, obwohl kleiner, sehr viel stärker, sie entwickelte plötzlich erschreckende Kräfte, und Ora ließ sich schlaff von ihr ziehen. Ab und zu zeigte Ada auf einen kahlen Strauch oder einen farblosen Baum und erklärte Ora fieberhaft, wann er blühte und welche Früchte er trug, so als sei sie an diesem Ort Oras Touristenführerin. Wenn Ora es wagte, sie von der Seite anzuschauen, sah sie, dass Ada schon keinen Körper mehr besaß. Nur ihre Stimme war noch übrig, schnell, spitz und wach, wie sie es immer gewesen war, und das Gefühl, wie sie sich an der Hand gehalten hatten, das war auch geblieben, und das verzweifelte Klammern der Finger. In Oras Kopf pochte das Blut gewaltig, nicht loslassen, Ada nicht loslassen, bloß nicht lockerlassen, auch nicht für einen Moment …
Nein, flüsterte Ora und schreckte in kalten Schweiß gebadet hoch, wie blöd ich bin.
Sie schaute auf den Platz, auf dem Avram im Dunkel kauerte. Ihre Halsschlagader begann zu pochen.
Was hast du gesagt, fragte er beim Aufwachen, versuchte, sich richtig hinzusetzen. Immer wieder rutschte er vom Stuhl, eine tyrannische Kraft zog ihn hinunter, zwang ihn, sich flach zu legen, den unerträglich schweren Kopf abzustützen.
Ich habe eine Freundin gehabt, die hat ein bisschen gesprochen wie du, murmelte sie. Bist du noch da? Ich bin hier. Ich glaub, ich war eingeschlafen. Wir waren Freundinnen von der ersten Klasse an. Und jetzt nicht mehr? Ora versuchte vergeblich, ihre Hände unter Kontrolle zu bringen, die zitterten wild. Über zwei Jahre hatte sie mit keinem Menschen über Ada geredet. Auch ihren Namen hatte sie nicht mehr ausgesprochen, Avram beugte sich ein bisschen vor, was ist mit dir, fragte er, warum bist du so?
Sag mal …
Was?
Willst du was hören?
Er lachte. Was für eine Frage.
Sie schwieg. Wusste nicht, wie sie anfangen und was
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