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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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die milde Herablassung, mit der sie Evis Sohn behandelte. Einmal nannte sie ihn sogar einen »Spätentwickler«. In aller Unschuld natürlich. Doch Evi traf es in tiefster Seele, und tief getroffene Seelen reagieren sonderbar. Evi fing, ihren Sohn betreffend, zu mogeln an. Klagte Elfi über die Kosten von Windeln, sagte Evi: »Meiner ist schon rein!« Sagte Elfi stolz, ihr Sohn könne bis 10 zählen, sagte Evi: »Meiner kann von 10 zurückzählen!«
    Dann kamen die Söhne in die Schule. Elfi berichtete, dass ihr Sohn »Klassenbester« sei. Evi, im Mogeln schon sehr trainiert, berichtete Gleichlautendes. Die dritte Klasse Gymnasium musste Evis Sohn wiederholen. Doch dies verschwieg Evi der Elfi. »Den Triumph gönn’ ich ihr nicht«, erklärte sie ihrem Ehemann.
    Nun sollte aber heuer Evis Sohn, wäre er nicht sitzen geblieben, maturieren. Und Evi befand sich in einer abscheulichen Klemme! Wie, fragte sie sich, soll ich denn der Elfi eine Matura samt Maturareise vormogeln? Und im Herbst ein Studium? Richtig erleichtert war sie, als Elfi plötzlich keine Zeit mehr hatte, sich mit ihr zu treffen. Musste sie wenigstens nicht »das Blaue vom Himmel herunter« lügen! Aber verwundert darüber, dass Elfi plötzlich so gar keine Zeit hatte, war sie schon. Die hatte doch immer jede Menge Zeit gehabt!
    Vorgestern traf Evi zufällig Elfis Schwiegermutter auf der Straße. Wie es der Elfi gehe, fragte sie. Und was der Sohn von der Elfi im Herbst studieren werde. Antwortete die Schwiegermutter: »Heuer doch noch nicht. Unser Burli ist in der fünften Klasse sitzen geblieben!« Nun hockt die Evi daheim und überlegt sich allerhand. Gern würde sie die Elfi anrufen. Ist doch jammerschade um eine uralte Freundschaft. Die sollte doch nicht wegen zweier gemogelter »Wunderkinder« flötengehen! Zehnmal hat die Evi schon zum Hörer gegriffen und dann wieder aufgelegt. Aber sie wird es schon noch schaffen!
»... Aber! ...«
    Meine liebe Freundin Suserl ist um Objektivität bemüht. Bespricht man in ihrer Anwesenheit die traurige Lage von gestressten Frauen, die sich zwischen Beruf, Haushalt und Kindern zersprageln und dazu noch Schuldgefühle haben, weil sie weder für die Kinder noch im Beruf und schon gar nicht im Haushalt all das schaffen, was man »optimal« zu nennen pflegt, dann unterbricht Suserl mit einem resoluten »Aber!«. Und hinter diesem »Aber!« erzählt sie dann ausführlich von einer – ihr gut bekannten – Frau, die keinen Beruf hat und keine Kinder, dafür aber eine tagtägliche Putzfrau und einen hobbykochenden Ehemann. Und diese Frau, verkündet Freundin Suserl, die sei schon psychisch krank vor lauter Langeweile und Unausgefülltheit. Und abschließend sagt Suserl noch: »Man muss eben auch immer die andere Seite der Medaille sehen!«
    Spricht man in Suserls Gegenwart davon, dass viele Herren, so sie ihre angeblich besten Jahre erreicht haben, dazu neigen, ihre gleichaltrige Partnerin gegen eine wesentlich jüngere auszutauschen, und dass man dieses für eine Sauerei hält, dann kommt ebenfalls Suserls »Aber!«. Und hinter dem »Aber!« erzählt sie dann ausführlich von einer – ihr gut bekannten – Frau, die, obwohl weit über vierzig, ihrem treuen Ehemann »den Weisel« gegeben habe und nun ihr Bett mit einem Jüngling teile, der leicht ihr Sohn sein könnte. »Man muss eben auch immer die andere Seite der Medaille sehen«, spricht sie, erhobenen Zeigefingers, abschließend.
    Freundin Suserls »Aber!« kommt auch, wenn man davon redet, wie mies und übel verlassene Ex-Ehefrauen mit spärlichen Alimenten zurechtkommen. Da kennt Suserl dann eine Frau, die ihren Ex-Ehemann zugrunde gerichtet hat. Haus, Geschäft und Sparbücher hat sie ihm abgenommen. Und jetzt zahlt er noch die Schulden zurück, die sie gemacht hat! Freundin Suserl kennt sogar »die andere Seite der Medaille« insofern, als dass sie eine Frau kennt, die ihrem Ehemann Ohrfeigen gibt! Und eine Frau, die bis weit über Mitternacht in Wirtshäusern hockt, während ihr Mann daheim den Schlaf der unmündigen Kindlein betreut, die kennt sie natürlich auch.
    Weist man Freundin Suserl darauf hin, dass sie uns da bloß von den Ausnahmen erzählt, ertönt wieder ihr allerliebstes »Aber!«. Hinter diesem »Aber!« folgt jedoch keine weitere Erläuterung mehr. So blöd ist Suserl wieder nicht, dass sie ehrlich verkünden würde: »Es ist schön, wenn ich was daherplappere und alle Männer nicken mir begeistert zu!«
Der Jammer mit der Ehrung
    Frau

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