Eine fremde Welt 3 - Fiona
keine Fleißigere finden. Ich habe dir meine Bewerbung und
Zeugnisse, einfach alles, als Anlage mitgeschickt. Damit du siehst, dass
ich nicht einfach aus Spaß eine Gelegenheit erbetteln will. Bitte Jonathan,
schau dir alles an und sag nicht sofort Nein. Vielleicht wirkt dieser
winzige Tropfen gleichen Blutes ja doch etwas. Ich warte auf deine
hoffentlich positive Antwort. Muss dir aber gleich sagen, ich würde sehr
gerne persönlich bei dir vorbeischauen. Hätte ich auch schon getan, aber
da kommt jetzt leider die Kohle ins Spiel. Ich und meine Eltern haben
nicht so viel Geld, um einfach so eine Flugreise nach Genf zu buchen.
Aber wenn es eine Chance gibt, dass du mich das Praktikum bei dir
machen lässt, dann würden mich meine Eltern unterstützen und mir das
Geld für den Flug leihen.
Ich will nicht betteln ... Mist, doch will ich ... Bitte, Jonathan, überleg es
dir, bitte.
Alannah
Ich lehne mich zurück und öffne die Anlagen. Wow! Cleveres Mädchen.
Ein Bild von ihr ist auch dabei. Rotblonde Haare, grüne Augen. Ein
typisch irisches Mädel, aber die Augen haben eine Ernsthaftigkeit, die
dieses Alter meist missen lässt. Ich werde eine Runde darüber schlafen.
Sie will eine Chance. Im Prinzip ist das kein Problem. Es wäre Aufwand.
Aber im Moment läuft alles gut und etwas mehr Arbeit wäre kein
Ärgernis. Wenn da nicht Fiona wäre. Ich müsste mich ja nicht immer um
Alannah kümmern, Paul und Thomas würden das sicher auch gerne
übernehmen. Und ich bin der Chef.
Ich schreibe meiner Sekretärin eine Mail, sie möge ein Flugticket in
Dublin hinterlegen lassen, auf den Namen Alannah McGregor. Ich bin
gespannt auf sie. Dann schreibe ich ihr.
In Ordnung, Alannah, deine Mail ist frech und mutig und das mag ich.
Ich will dich kennenlernen. Ich habe ein Ticket in Dublin auf deinen
Namen reservieren lassen. Komm zu mir und wir reden. Das ist noch
keine Zusage, aber mehr als die meisten bisher bekommen haben.
Bis bald.
Fast zeitgleich kommt eine Mail in mein Postfach.
Danke, danke, danke!! Ich komme so gerne!
Ich grinse, na wenigstens eine gute Tat für den Tag erledigt.
Ich schalte den Laptop aus und gehe ins Schlafzimmer. Für heute ist aber
jetzt endgültig Schluss.
Am anderen Morgen besuche ich Fiona, mache sie mit meiner
Anwesenheit vertraut. Sie ist wach, wirkt wie abwesend. »Fiona, ich habe
dir versprochen, dich ein paar Tage in Ruhe zu lassen, es ist jedoch eine
Kleinigkeit dazwischen gekommen. Vertraust du Mia? Darf ich dich für
Mia um etwas bitten, Fiona?« Sie blickt mich immer noch mit leerem
Blick an, nickt aber. »Mia hat mich gestern Abend angerufen und mich
gebeten, dich dieses Formular unterschreiben zu lassen.« Ihr Blick wirkt
wieder abwesend. »Fiona, vertraust du Mia? Schau mich an!« Ich sage es
streng. »Mia bittet dich darum, dass du das unterschreibst. Um den Rest
wird sie sich kümmern. Und sie wird dich auch nicht mehr belästigen, bis
du das möchtest. Ich soll dir außerdem viele liebe Grüße von Katy
ausrichten. Sie macht bald ihre ersten Schritte und freut sich schon
darauf, dir das zu zeigen.« Ich lege ihr das Blatt zusammen mit einem
Stift vor sie hin. »Komm, Fiona, unterschreibe das bitte.« Wie ein
Roboter nimmt sie den Schreiber und unterschreibt. Dann dreht sie sich
Richtung Terrasse und schaut auf den See. Gerade als ich denke, sie ist
abwesend, sagt sie: »Es ist wunderschön hier, Jonathan.« »Danke, Fiona,
ich weiß und du wirst dich hier sehr bald sehr wohlfühlen.« »Das tue ich
schon, ich fühle mich hier sicher, aufgehoben. Aber ich spüre mich
selber noch nicht.« »Ich verspreche dir, dass das sehr bald wiederkommt,
Fiona. Sehr bald.« Sie schaut mich an und es macht mich unendlich froh,
dass ich einen Funken Leben in ihren Augen erkennen kann.
»Ich lass dich jetzt ruhen. Wenn ich dir das Haus oder den See oder
irgendetwas zeigen soll, ruf mich an.« Entgegen allen meinen Prinzipien
gebe ich ihr meine Handynummer. »Du kannst mich immer über diesen
Apparat erreichen, Fiona. Und wenn du ein neues persönliches Handy
möchtest, sag es mir, dann lass ich eines kommen.«
Einige Tage später meldet sich Beth an meinem Telefon. »Jonathan, ich
habe die Sachen für Fiona, Mia ist auch mit hier. Wir stehen vor deinem
Tor, aber wir werden nicht hereingelassen. Das ist in Ordnung, aber wir
können die Sachen ja schlecht irgendwo hinlegen.« Ich grinse. »Wartet
einen
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