Eine fremde Welt 3 - Fiona
verbringen, hoffentlich schon mit Fiona.
Und dann verabschiede ich mich auch und fahre zurück, um ein paar
Stunden zu schlafen.
Heute kommt Alannah. Ich muss zugeben, ich bin äußerst gespannt auf
sie. Da ich versprochen habe, Fiona einige Tage in Ruhe zu lassen, habe
ich auch die Zeit, mich ausgiebig mit ihr zu unterhalten. Mike holt sie am
Flughafen ab und ich denke, sie wird so gegen zehn, halb elf hier in der
Klinik sein.
Eine Patientin, die für fast ein Jahr bei uns war, können wir heute
entlassen. Ich marschiere nochmals kurz zu ihr, um mich zu
verabschieden. Unter Tränen dankt sie mir für die Betreuung der letzten
Monate und dafür, dass wir ihr ihr Leben wieder zurückgegeben haben.
Es wird zwar anders sein, aber sie kann es von nun an annehmen. Sie ist
auf einem richtig guten Weg und ich freue mich für sie.
Wenn ein Patient geht, heißt das aber auch, dass jemand Neues zu uns
kommen wird. Dieses Mal ist es jemand, der nichts bezahlen wird, so
sind meine Regeln und bisher waren sie äußerst effizient.
Rose hat eine entsprechende Mail an die mit uns zusammenarbeitenden
Stellen verschickt und es wird nicht lange dauern, bis wir einen
Neuzugang bekommen werden.
Einerseits freut mich die Herausforderung, andererseits weiß ich genau,
welches Leid sich dahinter versteckt und es sollte mich nun wirklich
nicht erfreuen.
Mike ruft an, er ist am Tor. Ein letzter Kuss für meine Patientin, die
keine mehr ist, und ich gehe zurück in mein Büro.
Ein resolutes Klopfen. »Herein.«
Alannah kommt in den Besprechungsraum. Sie hinkt, fällt mir als Erstes
auf. Ansonsten, sie sieht aus wie von der Grünen Insel. Sie kann ihr
irisches Erbe nicht verleugnen, rotblonde Haare, schlank, aber kräftig,
freundliches Gesicht und ihre Aura ist wahrnehmbar. Sie strahlt eine
innere Ruhe und Kraft aus. Keinerlei Unsicherheit, wie viele erwarten
würden bei einem Vorstellungsgespräch.
»Hallo Alannah«, beginne ich das Gespräch und reiche ihr meine Hand.
Ihr Händedruck ist kräftig, nicht scheu, was ich auch gar nicht erwartet
habe. »Hallo Jonathan. Oder soll ich lieber Mr. McGregor sagen, das ist
kein Problem für mich.« »Nein, Alannah, Jonathan ist völlig in Ordnung.
Hattest du einen guten angenehmen Flug?«, fange ich das Gespräch an.
Erst einmal mit Small Talk, den ich ja, allein durch meine Erziehung,
perfekt beherrsche. Sie ist aber ebenfalls gut darin, und nach meinen
Nachforschungen über ihre Familie kann das niemals vom Geld oder
von einer privilegierten Ausbildung kommen. Sie ist direkt, einfach und
ich mag sie, ist mein schnelles Urteil. »Erzähl, warum ich, warum hier in
dieser Klinik?« »Weil sie die Beste ist und weil du dich nicht gegen Ideen
oder Verbesserungen oder Neuheiten versperrst. Weil du auf deine
Mitarbeiter hörst und auch ihre Meinung gelten lässt. Weil man hier auf
den Patienten schaut und nicht auf das Geld. Weil man hier wirklich
helfen darf, egal, was es kostet, und welche Abrechnungsnummer usw.
der Kranke hat. Weil dieser hier keine Nummer ist. Das finde ich am
allerbesten. Und weil du gut bist. Und deine Kollegen auch und weil ich
auch gut sein will und dazugehören will.«
»Warum hinkst du?«, ist meine direkte Frage und ich schaue ihr dabei in
die Augen. Zum ersten Mal kommt sie ins Holpern, wie ich es wollte,
ihre Wangen verfärben sich rot. Was mir natürlich durchaus gefällt. Jetzt
habe ich sie verunsichert. Und ich setze gleich noch einen obendrauf:
»Hast du einen Freund oder finden die Männer dich durch dein
Humpeln abstoßend?« Sie atmet tief durch. Ich lächle in mich hinein.
Von außen ist meiner Mimik nichts anzumerken, wie ich durchaus weiß.
Mir ist klar, ich bin fies, sehr gemein, aber das ist mir im Moment egal.
Sie holt noch mal Luft, um mir dann völlig leidenschaftslos zu erzählen,
dass sie mit ihren Eltern als Baby einen Autounfall hatte und keinem
aufgefallen war, dass ihr Bein gebrochen war. Die Schreie wurden als
Schock ausgelegt und im Krankenhaus hat niemand geröntgt. Als ihre
Mutter bemerkte, dass etwas nicht mit dem Fuß stimmt, war es schon zu
spät und alles ist falsch zusammengewachsen. Und nein, sie habe keinen
Freund, das liegt aber nicht an dem Fuß, sondern daran, dass sie selbst
kein Interesse hätte, sie im Moment lernen wolle.
»Erzähl keinen Quatsch, Alannah, du willst die Liebe ebenso
kennenlernen wie alle anderen.« Sie wird noch etwas angespannter,
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