Eine geheimnisvolle Lady
gerührt blieb er stehen und ließ ihre Hand los. Burnley war völlig vergessen. Was für eine dumme Frau! Natürlich war sie seine Liebste.
Großer Gott, von Anfang an hatte er sie geliebt – und viel zu lange gebraucht, um das zu merken. Sie musste es doch wissen, sicher hatte er ihr gesagt …
Kein einziges Mal hatte er die Worte ausgesprochen.
Nicht in höchster Ekstase, nicht bei seinem Heiratsantrag. Auch nicht in der Kirche, wo er sie seinem nichtswürdigen Vater entrissen hatte.
Was für ein unglaublicher Idiot er war.
»Diana, du bist der einzige Grund, warum ich noch lebe«, beteuerte er und wartete, bis sie ihn anschaute. Die Zweifel in ihren Augen erschütterten ihn zutiefst. Wahrheitsgemäß fuhr er fort: »Nachdem Burnleys Lakaien mich zusammengeschlagen hatten, erhielt mich nur die Erinnerung an dich am Leben. Die Ärzte dachten, ich würde sterben. Aber ich musste weiterleben – deinetwegen. In meinen dunkelsten Nächten warst du mein hellster Stern. Du bist die Musik, nach der meine Seele singt, die Luft, die ich atme. Alles bist du für mich.«
Zwischen ihren fein geschwungenen Brauen entstand eine zarte Falte, und sie musterte sein Gesicht, als würden seine Worte keinen Sinn ergeben. »Aber liebst du mich?«
»Was …« Verdammt, er hatte die Worte noch immer nicht ausgesprochen.
Er rang nach Atem. Was er jetzt sagte, tauchte aus einem tieferen Teil seiner Seele auf als alles, was er zuvor versichert hatte, mochte es auch seinem übervollen Herzen entsprungen sein.
»Ja, Diana, ich liebe dich.«
Eine Zeit lang war sie so still, dass er glaubte, sie hätte es nicht gehört. Dann wich die Spannung aus ihr, und ihre grauen Augen erschienen ihm wie glänzendes Silber. »Und ich liebe dich, Tarquin.«
Erleichtert lächelte er. Sie war seine Liebe, sein Leben. »Alles andere ist nebensächlich.«
Durch gesenkte Wimpern warf sie ihm einen herausfordernden Blick zu. Entzückt beobachtete er, wie sie sich in die lockende Sirene zurückverwandelte, der er in London verfallen war. Nur die Tränenspuren auf ihren Wangen erinnerten noch an die verzweifelte Frau, die in seinen Armen geschluchzt hatte.
»Meinst du nicht, du solltest mich küssen?«
»Schon vor der Hochzeit bin ich ein Pantoffelheld.«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Nur mehr ein Schatten deiner selbst.«
»Zweifellos.«
»Eine Schande für die Zunft der Wüstlinge.«
»Als Wüstling eine einzige Katastrophe.«
Sie hob ihr Gesicht, eine unmissverständliche Einladung. »Wollen wir fortfahren, Lord Ashcroft?«
»Mit dem größten Vergnügen, meine liebe Mrs. Carrick«, stimmte er zu, legte einen Arm um ihre Taille und zog ihren bereitwilligen Körper an sich.
Trotz des Geplänkels erkannte er die ernste Bedeutung dieses Augenblicks. Von jetzt an begann ein neues Leben. Behutsam drückte er seinen Mund auf ihren.
In Dianas Nähe erlosch die Leidenschaft niemals. Aber jetzt wurde sie von bewegender Ehrfurcht übertrumpft. Er liebte sie inniger, als er jemals erwartet hatte, irgendjemanden zu lieben. Und trotz aller Logik, trotz aller Gerechtigkeit, trotz aller Vernunft erwiderte sie seine Liebe.
Sie öffnete die Lippen und küsste ihn mit einer Glut, die ihm verriet, wie sehr sie ihn vermisst hatte. So deutlich hätten es Worte nicht zu bekunden vermocht.
In Zukunft würde sie ihn nie mehr vermissen. Seine Diana.
Für immer.
Epilog
Vesey Hall, Buckinghamshire, Oktober 1829
Diana, Countess of Ashcroft, stand vom Satinholzschreibtisch in ihrem Salon auf. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, streckte sie sich zufrieden. Den ganzen Nachmittag hatte sie die Rechnungsbücher des Landguts studiert. Kinderlachen erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie ging zum offenen Fenster. Im Garten präsentierte Laura die kleine Lady Hester Maria Catherine Vale gerade deren Großvater.
Gerührt beobachtete Diana, wie ihr Vater das normalerweise ungemein temperamentvolle achtzehn Monate alte Kind auf seinen Schoß setzte. Zweifellos war Hester ein Satansbraten. Jeden Tag beschwor sie ein neues Chaos herauf. Aber sobald sie John Dean sah, verwandelte sie sich in einen perfekten Engel. Nun saß sie – völlig untypisch – ganz still und brav auf seinen Knien, während seine Finger ihr Gesicht erforschten.
Diana hörte, wie die Tür hinter ihr aufschwang. Aber sie drehte sich nicht um, denn das plötzliche Knistern in der Luft verriet ihr, wer das Zimmer betrat. Starke Arme umschlangen ihre Taille und drückten sie an einen kraftvollen
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