Eine geheimnisvolle Lady
und kam sich ein bisschen einfältig vor.
In Gedanken versunken, stand Diana vor zwei Gräbern. Sie hatte den Hut abgenommen, ihr goldenes Haar schimmerte im Sonnenlicht.
Ashcroft hinkte an ihre Seite. Erst jetzt nahm er die Schmerzen in seinem Bein wieder wahr. Bei seiner verzweifelten Suche nach Diana hatte er seinen Stock im Haus vergessen, und jetzt plagten ihn Höllenqualen.
Warum sie hier stand, trotz der drohenden Gefahr, erriet er sofort. Diese Ahnung war bereits in ihm aufgestiegen, als ihr Vater den Friedhof erwähnt hatte. Nun betrachtete er die beiden Gräber. Eines sah älter aus als das andere.
Schweigend beobachtete er, wie Diana Rosen auf die niedrigen, mit Gras bewachsenen Hügel legte. Eine für Maria Caroline Dean, die geliebte Gemahlin von John Dean, die andere für William Addison Carrick, den geliebten Ehemann von Diana Charlotte Carrick.
Früher war Ashcroft kleinmütig genug gewesen, William Carrick zu hassen. Jetzt nicht mehr. Dieser Mann hatte Diana geliebt und war viel zu jung gestorben.
Aufrichtig bedauerte Ashcroft, wie viel Dianas Gatte versäumt hatte.
Ich werde sie beschützen, William. Das schwöre ich bei meinem Leben.
» Du nimmst Abschied«, sagte er leise und hielt sich an einem überhängenden Zweig fest.
Als sie sich umdrehte, krampfte sich sein Herz zusammen. Sie wischte Tränen von ihren Wangen. In ihrer Stimme schwang tiefe Trauer mit. »Und ich bitte um Vergebung. Keiner der beiden wäre stolz auf mich.«
30
Seine starke, stolze Diana so traurig und niedergeschlagen zu sehen, tat ihm in tiefster Seele weh. Entschlossen gelobte er sich, er würde die strahlende, selbstbewusste Frau wieder zum Leben erwecken, die ihm in der Kirche ihr Jawort gegeben hatte.
»Diana …«
Ehe er weitersprechen konnte, gestand sie: »Du beschämst mich.« Als sie ihn anschaute, wirkten ihre einst so leuchtenden Augen glanzlos und schiefergrau. »Was du in der Kirche getan hast, war das Tapferste, was ich je gesehen habe. Du hast eine erneute Demütigung riskiert und neue Wunden. Doch das hielt dich nicht zurück.«
Seufzend entlastete Ashcroft sein verletztes Bein. Dieses Lob verdiente er nicht. Er hatte sich keineswegs tapfer gefühlt. Nur verzweifelt. »Nun, ich musste es versuchen.«
»Aber du solltest mich hassen.« Beinahe brach ihre Stimme. »Du musst mich hassen.«
Welchen Sinn hätte es, die Wahrheit zu verschweigen? Tröstliche Lügen würde Diana sofort durchschauen. Außerdem hatten schon zu viele Lügen zwischen ihnen gestanden. »Ja, glaub mir, das tat ich.«
Nur für den Bruchteil einer Sekunde zuckte sie zusammen. Hätte er sie nicht so aufmerksam beobachtet, wäre es ihm entgangen. Dann hob sie ihr Kinn auf vertraute Weise, aber ohne das übliche kämpferische Temperament, und er spürte ihre Gewissensnot. Sie hatte ihn täuschen wollen. Doch es war ihr niemals leichtgefallen.
»Noch immer solltest du mich hassen.« Nur mühsam würgte sie die nächsten Worte hervor. »Ich trage die Schuld an deinem beklagenswerten Zustand. All die Qualen in den letzten zwei Monaten musstest du nur erleiden, weil ich etwas gewinnen wollte, was mir nicht zustand. Burnley mag seinen Lakaien befohlen haben, über dich herzufallen, aber ich bin dafür verantwortlich.«
»Von ein paar hirnlosen Schlägern lasse ich mich nicht umbringen, Liebste. Dazu gehört schon etwas mehr.«
Entschieden schüttelte sie den Kopf. »Du darfst nicht bagatellisieren, was du durchgemacht hast. Bei deinem Anblick, heute in der Kirche, verachtete ich mich selbst.«
»Burnley hat dich ausgenutzt.« Beschwichtigend streckte er eine Hand nach ihr aus.
Doch sie wich im weichen Gras zurück – so abrupt, als würde er ihr Gewalt androhen. »Und ich ließ mich bereitwillig ausnutzen«, erwiderte sie zynisch. »Schieb nicht nur ihm die Schuld in die Schuhe. Von Anfang an musst du meine Lügen bemerkt haben.«
Die Stirn gerunzelt, ließ er seine Hand sinken. In den Tiefen seines Bewusstseins regte sich die Ahnung von Gefahr. Aber Burnley und seine Spießgesellen erschienen ihm nicht so bedrohlich wie der Selbsthass in Dianas Augen. »Um Himmels willen, vergessen wir das alles.«
Vorsichtig probierte er aus, ob das kranke Bein einen Teil seines Gewichtes tragen würde. Heftige Schmerzen durchströmten ihn, und er trat sofort wieder auf den anderen Fuß. Die Zähne zusammengebissen, ermahnte er sich, in dieser wichtigen Situation keine Schwäche zu zeigen.
Eine Frage musste er noch stellen, obwohl er die
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