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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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dass viele Denkmäler den Krieg verherrlichen, und diese Denkmäler werden von Künstlern geschaffen. Also haben wir Künstler eingeladen und gesagt: ‹Wie wäre es, wenn ihr eure künstlerischen Fähigkeiten dazu nutzt, den Frieden zu verherrlichen? Wir haben hier diese Gewehre – habt ihr eine Idee, wie man aus den Bestandteilen dieser Gewehre eine Friedensbotschaft machen könnte?› Und dann fingen die Leute an, Kunstwerke aller Art zu schaffen. Und eines dieser Kunstwerke war der Waffenthron.»
    Der mosambikanische Künstler, von dem der Waffenthron stammt, ist unter dem Namen Kester bekannt. Er beschloss, einen Stuhl zu machen und ihn Thron zu nennen, was schon im Ansatz eine ganz bestimmte Aussage beinhaltet. Stühle waren im Gegensatz zu Hockern in traditionellen afrikanischen Gesellschaften eine Seltenheit, nur für Stammeshäuptlinge, Prinzen und Könige bestimmt; sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Throne. Aber dieser Thron ist nicht zum darauf Sitzen bestimmt. Er ist nicht für eine Herrscherpersönlichkeit gedacht, sondern er soll den Geist des Friedens und der Versöhnung zum Ausdruck bringen, der im neuen Mosambik herrscht.
    Diesem Objekt wohnt ein besonderes Pathos inne, gerade weil es die Form eines Stuhls hat. Wenn wir einen Stuhl beschreiben, benutzen wir menschliche Begriffe – der Stuhl hat Arme, Beine und einen Rücken. Schließlich ist er der menschlichen Anatomie nachempfunden und könnte so fast als Symbol für einen realen Menschen dienen. Darum hat ein Stuhl, der aus den Teilen von Waffen besteht, die ihrem eigentlichen Wesen nach dazu bestimmt sind, Arme, Beine, Füße und Rücken von Menschen zu verstümmeln, etwas besonders Verstörendes.
    In Kesters Familie gibt es Menschen, die im Krieg solche Verstümmelungen erlitten haben:
    «Ich selbst war vom Bürgerkrieg nicht direkt betroffen, aber zwei meiner Verwandten haben ein Bein verloren. Eine Frau ist auf eine Mine getreten und hat ein Bein verloren, und einer meiner Cousins hat ein Bein verloren, weil er für die FRELIMO gekämpft hat.»
    Doch Kester hat diesen Thron als ein Zeichen der Hoffnung gemacht. Zwei Gewehrkolben bilden die Rückenlehne des Stuhls. Wenn man sie genauer betrachtet, sieht es aus, als hätten sie Gesichter – zwei Schraublöcher als Augen und eine Gurthalterung als Mund. Fast scheinen sie zu lächeln. Kester entdeckte das Detail zufällig und machte es sich zunutze. Es leugnet den eigentlichen Zweck der Waffen und gibt dem Werk seine grundsätzliche Bedeutung, wie Kester erklärt:
    «Es gibt keine Konflikte mehr zwischen uns. Ich habe die lächelnden Gesichter nicht gemacht, sie sind Teil der Gewehrkolben. Die Schraublöcher und die Halterung, an der der Tragriemen befestigt war. Also habe ich die Gewehre mit den ausdrucksvollsten Gesichtern ausgewählt. Man sieht dieses lächelnde Gesicht und dann noch ein zweites lächelndes Gesicht – der andere Gewehrkolben. Und sie lächeln sich gegenseitig an, als wollten sie sagen: ‹Jetzt sind wir frei.›»

99
Kreditkarte
    Ausgegeben in den Vereinigten Arabischen Emiraten
2009 n. Chr.
    Wenn man Leute fragt, welche Erfindung des 20. Jahrhunderts ihr Leben am nachhaltigsten beeinflusst hat, würde ihnen vielleicht als erstes das Mobiltelefon oder der Computer einfallen. Die wenigsten würden vermutlich an die kleinen Plastikkarten denken, die zuhauf in ihren Brieftaschen und Portemonnaies stecken. Und doch ist die Kreditkarte seit ihrer Einführung in den 1950er Jahren zu dem Stoff geworden, aus dem unser Leben ist. Zum ersten Mal in der Geschichte ist Kreditnahme kein Vorrecht der Privilegierten mehr, und plötzlich werden – vielleicht als Folge davon – lange nicht mehr gestellte religiöse und moralische Fragen nach Nutzen und Missbrauch des Geldes wieder laut im Zeichen dieses ultimativen Symbols ökonomischer Freiheit, wie es die einen sehen, oder, so die anderen, einer triumphierenden anglo-amerikanischen Konsumgesellschaft.
    In den letzten beiden Kapiteln ging es um Sex und um Kriege. Jetzt kommen wir zur dritten großen Konstante des Lebens, zum Geld. Geld gehört zu den Protagonisten, die in unserer Geschichte der Welt immer wieder auftauchen, von den Goldmünzen des sagenhaft reichen Königs Krösus von Lydien (Kapitel 25) über die Banknote des ersten Ming-Kaisers (Kapitel 72) bis zur ersten Weltwährung, der spanischen Silbermünze zu acht Reales (Kapitel 80). Nun sind wir bei der modernsten Erscheinungsform des Geldes angelangt –

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