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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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sozialen Folgen zunehmender Verschuldung. Als Konsequenz wurden seit den 1990er Jahren eine Reihe schariakonformer Banken gegründet – sie bieten mittlerweile in über 60 Ländern Dienstleistungen an, die mit islamischen Überzeugungenund Vorschriften vereinbar sind. Razi Fakih, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der HSBC Amanah, erklärt:
    «Islamische Finanzdienstleistungen sind etwas ganz Neues. Konventionelle Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen gibt es seit jeher. Islamische Finanzdienstleistungen wurden erstmals in den 1960er Jahren in Ägypten angeboten, und ich glaube, es dauerte bis in die 1990er Jahre, bis andere dem Beispiel folgten, insofern ist dieser Bankenbereich erst zwei Jahrzehnte alt.»
    Unsere Kreditkarte verdankt ihre Existenz natürlich der wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens. Aber sie ist auch Ausdruck eines Phänomens, das im Widerspruch zu allen Erwartungen des 20. Jahrhunderts steht. Von der Französischen Revolution an waren die meisten Intellektuellen und Ökonomen – einschließlich Karl Marx – der festen Überzeugung, dass die Religion im öffentlichen Leben zunehmend an Bedeutung verlieren würde, dass die Kräfte des Mammon auf lange Sicht Gott verdrängen würden. Doch erstaunlicherweise hat sich die Religion im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts in vielen Teilen der Welt im Zentrum der politischen und wirtschaftlichen Bühne zurückgemeldet. Unsere goldene Kreditkarte ist ein kleiner, aber bezeichnender Teil dieses Phänomens.



100
Solarlampe und Lademodul
    Hergestellt in Shenzhen, Guangdong, China
2010 n. Chr.
    Wie soll diese Geschichte der Welt enden? Gibt es ein Objekt, das sinnbildlich für die Welt im Jahr 2010 stehen kann, das die Sorgen und Hoffnungen der Menschheit verkörpert und gleichzeitig von praktischem Nutzen für sehr viele Menschen unserer Zeit ist?
    Rückblickend betrachtet wird das natürlich gar keine Frage sein. Der Mensch, der im Jahr 2110 die Leitung des Britischen Museums innehat, wird zweifellos eine glasklare Vorstellung davon haben, welches Objekt wir hätten erwerben sollen, um mit unserer Geschichte auf dem Laufenden zu bleiben, und er wird vermutlich milde oder auch spöttisch lächeln angesichts der Wahl, die wir schließlich getroffen haben. Aber bis dahin wird man wissen, welche bedeutenden Ereignisse oder Entwicklungen die ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts geprägt haben. Wir dagegen müssen unsere Entscheidung in der Unwissenheit des Hier und Jetzt treffen.
    Wir haben überlegt, ob es ein Gegenstand aus der Antarktis sein sollte – dem letzten Fleckchen Erde, auf dem der Mensch Fuß gefasst und dauerhaft Domizil genommen hat, dem Endpunkt des Exodus aus Afrika. Wir können dort nur aufgrund der Ausrüstung überleben, die herzustellen wir in der Lage sind; Spezialkleidung, wie sie für das Leben und Arbeiten in der Antarktis notwendig ist, wäre sinnbildlich für das Paradox des Menschen als Werkzeugmacher: Die Dinge, die wir herstellen, versetzen uns in die Lage, die Natur zu beherrschen, und dann passiert es, dass wir zum Überleben vollkommen auf sie angewiesen sind. Aber es scheint einigermaßen abwegig, als Höhepunkt des menschlichen Strebens Kleidungsstücke vorzustellen, die für das Leben am unwirtlichsten Ort der Erdeentworfen wurden und im besten Fall von einigen tausend Menschen getragen werden.
    Zu den markantesten Entwicklungen des letzten Jahrzehnts im 20. Jahrhundert gehört der Zustrom von Millionen von Menschen in die Großstädte, oft über gewaltige Entfernungen hinweg. Diese Migranten haben die demographischen Strukturen der Welt verändert. Sie haben das neue Phänomen der globalen Großstadt geschaffen, in der Menschen aus allen Teilen der Erde in relativ harmonischer Nachbarschaft miteinander leben. In London beispielsweise werden heute mehr als 300 Muttersprachen gesprochen. Es ist eine allgemeingültige Wahrheit, dass Menschen, was immer sie sonst auch zurücklassen mögen, wenn sie ihre Heimat verlassen, unweigerlich ihre Ess- und Kochgewohnheiten mitnehmen; in dieser Hinsicht ist der Mensch sehr beständig. Darum dachten wir, unser hundertstes Objekt könnte vielleicht eine Auswahl an Kochgeschirr sein, das uns eine Vorstellung von der erstaunlichen kulturellen und kulinarischen Vielfalt vermittelt, die heute in den Großstädten herrscht. Aber in diesem Buch haben wir bereits die Spuren des Kochens, Essens und Trinkens und das Anwachsen von Großstädten

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