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Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten

Titel: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Größe moderner Banken übersteigt alles je Dagewesene, und ihr Einfluss reicht weit über nationale Grenzen hinaus. Mervyn King sagt dazu:
    «Das breite Spektrum finanzieller Transaktionen, ob auf der Basis von Kreditkarten internationaler Banken oder anderer Dienstleistungsangebote getätigt, hat transnationale Unternehmen hervorgebracht, die so groß sind, dass nationale Regulierungsbehörden nicht mehr in der Lage sind, sie zu kontrollieren, und die, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten – was glücklicherweise bisher nicht oft der Fall war –, schwere Finanzkrisen auslösen können.»
    Früher konnten Regenten einfach aufhören, ihre Schulden zu bezahlen, und in Kauf nehmen, dass Bankhäuser bankrottgingen, aber heute ist der Zusammenbruch einer Bank offensichtlich gravierender als das Scheitern einer Regierung.
    Einige Eigenschaften der Kreditkarte bedürfen keiner Beschreibung. Alle Kreditkarten haben die gleiche international genormte Form und Größe, damitsie in die vielen «Schlitze in der Wand» passen, die in unserer urbanen Welt allgegenwärtig sind. In einer Hinsicht gleichen sie dem herkömmlichen Münz- und Papiergeld: Sie haben zwei Seiten, die wichtige Informationen enthalten. Wenn man unsere Karte umdreht, sieht man einen Magnetstreifen, Teil der elektronischen Kennung, die es uns ermöglicht, unser Geld rund um den Globus relativ sicher zu bewegen. Er schafft die Voraussetzung für schnelle Kommunikation, schnelle Transaktionen und schnelle Wunschbefriedigung. Viele Karten sind heute mit einem noch leistungsfähigeren Produkt der Elektronikindustrie, einem Mikrochip, ausgestattet. Der Mikrotechnik, einer der großen Errungenschaften der letzten Generation, ist es zu verdanken, dass es weltweit einsetzbare Kreditkarten – und damit weltweit agierende Banken gibt. Der kleine schwarze Streifen ist der Held – oder der Schurke – dieses Kapitels. Alles andere ist eine Folge dessen, was er leistet.
    Diese in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgegebene Kreditkarte ist sowohl in englischer als auch in arabischer Sprache bedruckt.
    Kreditkarten machen etwas möglich, was für die meisten Menschen früher unmöglich war: Sie erlauben, dass wir uns Geld leihen, ohne uns den klassischenPfandleihern oder Kredithaien ausliefern zu müssen. Natürlich birgt diese Möglichkeit Gefahren. Leicht verfügbare Kredite unterminieren traditionelle Tugenden wie Sparsamkeit, weil man das Geld nicht mehr zurücklegen muss, bevor man es ausgibt. Daher ist es kein Wunder, dass Kreditkarten ins Visier von Moralisten geraten und als ihrem Wesen nach gefährlich und sogar frevlerisch eingestuft worden sind. Fraglos fördern Kreditkarten die Bereitschaft der Verbraucher, Geld auszugeben – nicht selten mehr, als sie sich leisten können. Das ist also ein Bereich des Bankenwesens, der schnell zum Gegenstand moralischer und religiöser Debatten wird.
    Tatsächlich enthält unsere Karte selbst ein religiöses Element, was manch einen überraschen mag. Quer über die Vorderseite zieht sich ein Schmuckstreifen mit einem Muster, das wie ein rotes Sternengitter aussieht. Das Muster erinnert merkwürdigerweise an ein Objekt, das uns in einem früheren Kapitel begegnet ist: die sudanesische Schlitztrommel, die, als man sie in den islamischen Norden des Sudan brachte, zu Ehren der neuen Welt, in die sie jetzt gehörte, nachträglich mit einem islamischen Schnitzmuster versehen wurde (siehe Kapitel 94). Das Muster erfüllt auf der Kreditkarte den gleichen Zweck wie auf der Trommel, denn sie ist nicht einfach nur von der HSBC ausgegeben, sondern von der HSBC Amanah, dem islamischen Zweig des Konzerns. Diese Kreditkarte wird als schariakonform vermarktet.
    In allen abrahamitischen Religionen gibt es Texte, die sich mit dem Problem des Zinswuchers auseinandersetzen, der einen armen Teufel in Schulden stürzen und schließlich ins Verderben treiben kann. Sowohl die Bibel als auch der Koran haben dazu Unmissverständliches zu sagen, sei es im 3. Buch Mose, wo es heißt: «Denn du sollst ihm dein Geld nicht auf Zinsen leihen noch deine Speise auf Wucher austun», oder in den Worten des Koran: «Die Zins verschlingen, stehen nicht anders auf, als einer aufsteht, den Satan mit Wahnsinn geschlagen hat.»
    Folgerichtig haben sich Juden, Christen und Muslime mit den moralischen Implikationen der globalen Finanzwirtschaft auseinandergesetzt: mit der Trennung von Geld und Waren, von Geld und Leistung und vor allem mit den

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