Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Pavlina öffnete. Dimitri sah vollkommen anders aus als beim letzten Mal. Er war noch genauso schlank, aber glatt rasiert und trug einen Mantel und einen dunklen Hut.
Er umarmte zuerst seine Mutter und dann Pavlina. Katerina stand mit klopfendem Herzen im Hintergrund.
»Katerina«, sagte er und nahm ihre Hand. »Ich habe dich vermisst.«
Ihr strahlendes Lächeln zeigte ihm, was er wissen musste.
»Du siehst chic aus!«, sagte Olga.
»Es ist bloà eine notwendige Verkleidung«, antwortete er. »Ich habe falsche Papiere, die mich als Anwalt ausweisen, also muss ich auch aussehen wie einer!«
»Deinem Vater würde es gefallen!«, sagte Pavlina spöttisch.
»Ja, wahrscheinlich. Aber mehr als eine Verkleidung wird aus der Sache wohl nicht mehr werden. Wie gehtâs ihm übrigens?«
Die Erwähnung von Konstantinos Komninos lieà die Stimmung sofort umschlagen und machte allen wieder bewusst, dass Dimitri offiziell gar nicht existierte.
»Wie immer«, antwortete seine Mutter schlicht.
Es folgte ein betretenes Schweigen.
»Ah, und Katerina«, fuhr Dimitri fort, um das Thema zu wechseln, »machst du noch immer Göttinnen aus den Frauen von Thessaloniki?«
»Ich fürchte nicht«, erwiderte sie und versuchte, fröhlich zu klingen. »Mein Mann will, dass ich zu Hause bleibe.«
»Ach, das ist aber schade«, antwortete Dimitri. »Meine Mutter hält dich für die beste Schneiderin der Stadt.«
»Ja, wirklich«, warf Olga ein. »Es ist eine Schande. Kate rinas Talent liegt brach, weil man es einfach weggesperrt hat.«
»Als wir oben in den Bergen waren, haben die Frauen Seite an Seite mit den Männern gekämpft! Als Gleichberechtigte! Ich bin sicher, dass sie die Anweisungen ihrer Ehemänner nicht mehr befolgen â¦Â«
»Ja, das mag wohl sein, aber ich denke, die meisten Ehemänner erwarten Gehorsam von ihren Frauen«, erwiderte Katerina lächelnd.
Dimitri drehte sich zu seiner Mutter um. »Du weiÃt, dass ich nicht in Thessaloniki bleiben kann. Im Moment ist es hier nicht sicher, und wahrscheinlich ist es auch besser für uns beide, wenn ich dir nicht sage, wohin ich gehe.«
»Du weiÃt am besten, was zu tun ist, Dimitri. Solange wir nur ab und zu von dir hören. Ich will einfach nur wissen, ob du in Sicherheit bist«, antwortete Olga.
»Ich würde gern ein paar meiner Sachen mitnehmen«, sagte er. »Ein paar von meinen medizinischen Büchern, weil ich wieder studieren möchte. Ich hätte gern mehr gewusst, als ich oben in den Bergen war. Aber eines Tages hole ich meinen Abschluss nach.«
Er stand auf. »Komm mit, Katerina, wir unterhalten uns, während ich packe.«
Sie folgte ihm.
In Dimitris Zimmer war alles noch genauso, wie er es vor fast zehn Jahren verlassen hatte. Es herrschte noch immer die gleiche Unordnung aus Papieren und herumliegenden Büchern, weil Pavlina auf Olgas Anweisung nichts ver ändern durfte. Neben medizinischen Lexika hatte er einen menschlichen Schädel aufgestellt â auf den er sehr stolz war â, und an der Wand hing eine Reihe anatomischer Zeichnungen, die trotz ihres medizinischen Charakters seltsam anmutig waren. In einem Regal standen noch ein paar Gegenstände aus seiner Kindheit aufgereiht â ein Abakus und ein Katapult â, und daneben lehnte ein alter Holzreifen an der Wand.
Dimitri ging zu seinem Schreibtisch und begann herumzukramen, während Katerina sich ein wenig verlegen im Zimmer umsah.
Plötzlich drehte er sich mit einem alten Spielzeug in der Hand um.
»Erinnerst du dich, wie wir vor vielen Jahren damit gespielt haben? Wir beide, Elias und Isaac und die Zwillinge?«
Er sah sie an, und seine Augen sprühten plötzlich vor Leidenschaft und Zorn.
»Natürlich erinnere ich mich«, antwortete sie.
»Warum hat sich alles so verändert, Katerina? Was ist passiert in all den Jahren? Mit all den Menschen?«
Die Zeit war nicht stehen geblieben, schlimmste Grausamkeiten waren begangen worden, aber für Katerina war das nur ein Teil der Antwort, denn eines hatte sich nicht geändert: Sie hatte Dimitri schon damals geliebt, und sie liebte ihn noch immer.
Als er ihr zaghaft die Hände auf die Schultern legte, wurde auch ihm klar, welche Gefühle sie für ihn hegte.
Er hatte so viel Zerstörung und Leid gesehen, so viel Brutalität, Angst und Gewalt. Er hatte den
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