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Eine große Zeit

Eine große Zeit

Titel: Eine große Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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in den Wald. Es ist ein herrlich sonniger Tag, warm und lind, die Vögel singen. Sie gehen in den Wald und setzen sich am Fuß einer uralten Eiche. Sie fangen an zu lesen. Die Sonne wärmt Sie. Sie nicken ein. Bald schlafen Sie. Sie schlafen zwei Stunden lang, Sie kommen zu spät zum Tee. Sie wachen auf. Sie nehmen das Buch und gehen zum Haus zurück, wo Ihre Mutter auf Sie wartet. Sie entschuldigen sich für die Verspätung, und dann gehen Sie beide ins Wohnzimmer, um Tee zu trinken … «
    »Öffnen Sie die Augen.« Bensimon klatschte einmal kurz. Zweimal.
    Lysander reagierte sofort, auf einmal war er angespannt, hatte für einen Augenblick vergessen, wo er sich befand. Er war eingeschlafen. Hatte er etwas Entscheidendes verpasst? Bensimon zog die Vorhänge auf und das Zimmer wurde wieder von Tageslicht erfüllt.
    »Bin ich eingeschlafen? Tut mir leid, wenn ich – «
    »Nur ein paar Sekunden. Das ist ganz natürlich. Sie werden sich an alles erinnern, was ich gesagt habe.«
    »Ich weiß noch, dass ich mich entschuldigt habe, weil ich zu spät zum Tee erschienen bin.«
    »Richtig.« Bensimon kam auf ihn zu. »Sie waren nicht in Trance. Sie haben sich nur in eine Parallelwelt hineinversetzt. Eine Welt, in der Sie an einem sonnigen Nachmittag im Wald eingeschlafen, wieder aufgewacht und zum Tee nach Hause gegangen sind. Konzentrieren Sie sich auf diesen Tag in Ihrer Parallelwelt. Statten Sie ihn mit Details aus und konzentrieren Sie sich auf die Gefühle, die der Tag ausgelöst hat. Nutzen Sie Ihre fonction fabulatrice . In dieser Parallelwelt ist gar nichts vorgefallen. Vorstellung und Wirklichkeit verschmelzen zur Fiktion, die uns am Leben erhält. Jetzt haben Sie eine Alternative.«
    Lysander bestellte sich einen Cognac im Café Central. Er dachte über das nach, was in der Sitzung passiert war, und befolgte Bensimons Anweisung, sich den Details der von ihm geschaffenen Parallelwelt zu widmen – des sonnigen Tages, an dem nichts vorgefallen war, abgesehen davon, dass er über seinem Buch eingeschlafen war, als er in Claverleigh Wood unter einer Eiche lag. Ja, er konnte sich selbst beim Aufwachen zusehen, wie er sich die Augen rieb, sich leicht steifbeinig und schwankend aufrichtete, sein Buch aufhob und nach Hause ging. Über den Zauntritt, durch den umfriedeten Garten – die Gärtner waren alle fort – und durch eine Seitentür ins Gutshaus hinein, wie er die Stufen zum grünen Salon hinaufpolterte, wo seine Mutter wartete und der runde Tisch zum Tee gedeckt war. Er dachte – ja, sie hat nach frischem heißem Wasser geläutet, um die Kanne zu wärmen, weil ich mich verspätet habe und der Tee kalt geworden ist. Für mich gibt es gebutterte Toastdreiecke mit Erdbeerkonfitüre und eine Scheibe Kümmelkuchen, mein Lieblingsgebäck. Ich setze mich und wische mir einen Grashalm von der Hose. Meine Mutter nimmt die silberne Teekanne – nein, es ist die hellgrüne Porzellankanne mit dem Efeurankenmuster und dem angeschlagenen Deckel – und fragt, während sie mir eine Tasse Tee einschenkt: »Wie kommst du mit der Lektüre voran, mein Schatz?«
    Lysander wollte das Cognacglas an die Lippen führen und hielt mitten in der Bewegung inne. Es war so echt. Vollkommen echt und in seiner Sicht vollkommen wahr. Er hatte sich ganz bewusst in eine Parallelwelt versetzt und seine Vorstellungskraft zur Anwendung gebracht. Erstaunlich. Seine Mutter trug … Was? Einen orangeroten Hausmantel mit Fledermausärmeln. Einen Jade-Armreif, der klirrend an ihre Tasse stieß. Stevens, der Lakai, räumte das Tablett ab. Es war so leicht. Wie hieß das noch? Seine fonction fabulatrice. Er hatte eine vertraute Welt erschaffen und einen Tag ohne Widrigkeiten gestaltet. Er verspürte reines Glück … Vielleicht sollte er mehr von diesem Bergson lesen. Er nippte an seinem Cognac, genoss die Wärme, die seine Kehle hinunterrann, die samtige, rauchige Süße, und lächelte vor sich hin.

15. Das Atelier in Ottakring
    Am Morgen fand Lysander einen Brief von Blanche vor. Als er ihn aufriss, stieg ihm flüchtig ein Resthauch von Rosenwasser in die Nase, ihrem bevorzugten Parfum. Vier Seiten lila Briefpapier, dicht beschrieben mit ihrer großen, zackigen Klaue.
    Mein Allerliebster,
    »June in Flammen« wird ein Riesenerfolg – ich habe im Gefühl, dass es über Monate laufen wird. Wann kommst Du nach Hause? Fühlst Du Dich jetzt wohler in Deiner Haut? Dein kleines Kätzchen möchte sich wieder in Deinen Schoß kuscheln. Ich habe eine Rolle in

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