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Eine Hand voll Asche

Eine Hand voll Asche

Titel: Eine Hand voll Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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ein leichtes Opfer wäre, falls Hamilton nach jemandem suchte, den er entführen und als Double für sich selbst töten könnte.«
    »Wissen Sie was«, erwiderte er, »wenn Sie eine oder zwei Stunden Zeit haben, könnten wir ein bisschen Feldforschung betreiben. Ich fahre sie ein wenig herum, und Sie können mit den Augen eines potenziellen Mörders einen Blick darauf werfen und sich selbst ein Bild machen.«
    »Klingt toll. Wann?«
    »Haben Sie am späten Nachmittag, frühen Abend Zeit? Heute Abend findet etwas statt, was Sie interessieren könnte, falls Sie noch keine Verabredung zum Abendessen haben.«
    »Meine Pläne fürs Abendessen drehen sich mit dem Teller in der Mikrowelle«, sagte ich. »Ich habe allenfalls eine heiße Verabredung mit einem Fertiggericht.«
    Er lachte. »Nun, etwas so Schickes kann ich Ihnen nicht versprechen, aber ich kann Ihnen zusätzlich zu den Erkenntnissen, die Sie gewinnen, eine Mahlzeit anbieten.«
    »Ein solches Angebot kann ich unmöglich ausschlagen«, sagte ich. »Wo und wann sollen wir uns treffen?«
    »Wissen Sie, wo unsere Büros sind?«
    »In der Liberty Street, nicht?«
    »Ja«, antwortete er. »Angesichts der Tatsache, wie oft unsere Kunden hinter Gittern landen, ist das entweder maßloser Optimismus oder grausame Ironie. Doch der Straßenname war vor uns da. Wie wäre es so gegen vier?«
    Einige Stunden später holperte ich über die Eisenbahnschienen zwischen Kingston Pike und Sutherland Avenue, bog an der Zementfabrik links ab und fuhr auf der Sutherland Avenue nach Westen, an den Spielplätzen und Gruppenunterkünften des John-Tarleton-Kinderheims vorbei, und bog dann rechts in die Liberty Street. Das Büro der Pflichtverteidiger war in einem modernen Gebäude aus roten Backsteinen und grünem Glas untergebracht. Roger öffnete mir die Tür. »Die Empfangsdame ist schon nach Hause gegangen«, sagte er. »Waren Sie schon einmal in unserem neuen Domizil?« Ich verneinte, und er bot mir an, mich kurz herumzuführen. Er fing mit dem Empfangsbereich an, einem hohen, halbrunden gläsernen Atrium, das stilvoll und freundlich wirkte – ganz anders als das triste, baufällige Quartier, in das ich die Pflichtverteidiger in meiner Vorstellung verbannt hatte. Im hinteren Bereich des Gebäudes war eine Turnhalle, die auch als Sitzungssaal diente, wo Kunden und Familien an Selbsthilfegruppen teilnehmen und mit Sozialeinrichtungen in Verbindung treten konnten. Das Gebäude strahlte – genau wie Roger – Hoffnung, Energie und beträchtliche Vorüberlegungen aus.
    Roger führte mich zur Tür hinaus auf den Parkplatz, wo er mir anbot zu fahren. Da ich keine Ahnung hatte, wohin es ging, hielt ich das für eine gute Idee. Er hatte eine Honda-Geländelimousine, und es dauerte nicht lange, da waren wir unterwegs. Hinter einem freistehenden Gebäude mit Glasfassade, auf dem ein Schild mit der Aufschrift Labor-Ready prangte, bog er auf eine gekieste Fläche, die an die Eisenbahnschienen und an den Third Creek grenzte. Ein Fußweg führte zu den Bäumen und Sträuchern, die den Bach säumten, und ich sah Hemden und Hosen im Geäst hängen – natürliche Wäscheleinen. Bei LaborReady, erklärte Roger, konnten Arbeitgeber Tagelöhner anheuern und Obdachlose oder Durchreisende kurzfristig einen Job kriegen. »Ist es eine gemeinnützige Agentur«, fragte ich, »oder ein Unternehmen?«
    »Ein knallhartes Unternehmen«, sagte er. »Am Ende des Tages bezahlt der Arbeitgeber LaborReady für die geleistete Arbeit einen Stundenlohn von etwa zwölf Dollar, und dann zahlt LaborReady dem Arbeiter den Mindestlohn. Sie nehmen um die fünfzig Prozent Provision.« Das war nicht gerade altruistisch, aber viel anders machte die Universität das auch nicht: Sie bezahlte mich und andere Professoren von den Studiengebühren, nachdem sie einen diebischen Gemeinkosten-Anteil abgezogen hatte. Als wir rückwärts wieder auf die Straße setzten und dann in Richtung Innenstadt fuhren, zeigte Roger auf die Eisenbahnschienen direkt hinter dem Gebäude. »Für die Obdachlosen sind die Eisenbahnschienen eine gute Möglichkeit, von einem Ort zum anderen zu gelangen«, sagte er. »Sie sind gerade und flach; sie folgen oft Bächen, sodass es Wasser gibt, und es gibt zahlreiche Stellen, wo man kampieren kann.« Ich schaute zu den Schienen hinüber, und tatsächlich, ein breiter Streifen Bäume und Sträucher säumte den Bach und das Bahngelände – und die Schienen führten direkt in die Innenstadt, ein holpriger,

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