Eine Hand voll Asche
gesprochen? Das würde den Herzinfarkt genauso erklären wie den Zorn der Witwe.«
»Hey, er war nicht alt«, begehrte ich auf. »Sechzig ist doch heute kein Alter mehr.«
»Er ist nicht in der Hitze der Leidenschaft gestorben«, sagte Morgan. »Es sei denn, die Zahnhygienikerin saß unter dem Schreibtisch, während er Berichte diktierte. Als die Zahnarzthelferin ihn fand, war er auf dem Schreibtisch zusammengebrochen, das Diktaphon in der Hand.«
»Er war nicht zufällig über Garland Hamiltons Akte zusammengebrochen?«
Morgan schüttelte wieder den Kopf.
»Und Hamiltons Zahnarztakte war nirgendwo zu finden?«
»Nirgends.«
»Verdammt«, sagte ich. »Das macht es schier unmöglich, diese Zähne abzugleichen. Können Sie andere Krankenakten besorgen? Sollen wir nach verheilten Brüchen suchen? Gibt es irgendwelche Röntgenaufnahmen vom Schädel, auf denen vielleicht ein paar Zähne zu sehen sind?«
»Ich habe Mrs. Vetter bereits eine Nachricht hinterlassen«, sagte Morgan, »und sie um eine Liste von Hamiltons Ärzten gebeten. Ich versuche es am Nachmittag noch einmal bei ihr. Tut mir leid wegen der Verzögerung.«
Ich seufzte. »Na ja, es ist ja nicht so, als würden wir hier sitzen und Däumchen drehen. Wir brauchen hier noch eine Weile. Wie Sie sehen, haben wir noch ungefähr tausend Knochenfragmente zusammenzukleben.«
»Aha!«, rief Miranda aus und fischte mit einer Pinzette ein kleines Knochenstück aus den bislang noch nicht passenden Stücken. Es war geformt wie der australische Kontinent, genau wie drei- oder vierhundert weitere Stücke, soweit ich das erkennen konnte. Doch sie steckte es in eine Lücke in der Form von Australien in der Stirn des zweiten Schädels, und es schien zu passen.
»Nur noch neunhundertneunundneunzig Teile«, sagte ich zu Morgan. »Sie machen sich besser auf den Weg, Steve. Wir haben keine Zeit zu vergeuden.«
Morgan war gerade zur Tür hinaus, als im osteologischen Labor das Telefon klingelte. Es war Darren Cashs Vorgesetzter, Staatsanwalt Robert Roper. »Wir geben heute Nachmittag um vier Uhr eine Pressekonferenz, aber ich wollte, dass Sie es vorher von mir persönlich erfahren«, sagte er. »Stuart Latham hat soeben ein Geständnis abgelegt.«
»Mord?«
»Nein, Totschlag«, sagte er. »Er wollte auf Körperverletzung mit Todesfolge plädieren, doch damit haben wir uns nicht zufriedengegeben.«
»Wie lautet seine Geschichte? Seine neue, meine ich.«
»Er behauptet, sie hätten sich über den Verkauf der Farm gestritten. Sie hatten beide reichlich getrunken, und die Sache geriet aus dem Ruder. Er schlug sie, und sie fiel nach hinten und knallte mit dem Kopf auf dem Küchenboden auf. Er dachte, sie wäre ohnmächtig geworden – zumindest behauptet er das –, und trug sie ins Bett. Als er am nächsten Morgen wach wurde, war sie tot. Er schwört, er hätte sie niemals umbringen wollen, doch als er erkannte, dass sie tot war, sei er in Panik geraten.«
»Klar«, sagte ich. »Und vor zwei Wochen hat er geschworen, er hätte ihr an dem Morgen, als er ins Flugzeug nach Las Vegas gestiegen ist, zum Abschied einen Kuss gegeben. Wenn es ein Unfall war, warum wollte er dann auf Körperverletzung mit Todesfolge plädieren?«
»Weil wir ihn in der Tasche haben. Es ist möglich – gerade eben so möglich –, dass er die Wahrheit sagt. Doch selbst wenn er sie nicht umbringen wollte, könnten wir die Geschworenen vielleicht vom Gegenteil überzeugen. Abgesehen davon haben wir ihn mit Manipulation von Beweismitteln, Behinderung der Justiz und Leichenschändung festgenagelt. Allein für Letzteres kann er zwanzig Jahre kriegen.«
Mich musste er nicht daran erinnern, wie hoch das Strafmaß für die Verstümmelung einer Leiche war – die gesetzgebende Staatsgewalt hatte dieses Gesetz zu Anfang meiner Karriere verabschiedet, nachdem ich ausführlich geschildert hatte, wie ein Mörder sein Opfer in Stücke gehackt und dann an seinen Dobermann verfüttert hatte.
»Latham ist zusammengebrochen«, fuhr Robert fort, »als Darren ihm erklärte, wie er es gemacht hat – dass er das Eis unter das Auto getan hat und damit genügend Zeit gewonnen hat, um nach Las Vegas zu fliegen. Darren hat ihm Fotos von diesen drei versengten Kreisen gezeigt, die Sie in dem Gras in der Nähe der Scheune gefunden haben.«
Genaugenommen hatte ich nur einen davon gefunden, doch ich wollte Roper nicht unterbrechen, um ihn zu berichtigen.
»Dann habe ich übernommen«, fuhr der Staatsanwalt fort, »und
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