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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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sie.«
    »Eigentlich spielt das keine Rolle. Es ist auf jeden Fall eine nette Geste.«
    Lucinda betrat die Veranda und händigte Mordi das Stück Papier aus. »Das ist ein Gutschein. Gray sagt, er ist so gut wie Bargeld.« Sie wandte den Blick ab. »Als eine Rackmore habe ich nämlich leider selbst kein Geld.«
    »Ein Gutschein ist schon okay. Kommen Sie doch rein. Ich mache uns einen Tee, und Sie können sich die Broschüre mit den verschiedenen Grabsteinmodellen ansehen.« Sie zögerte. »Ich dachte, Sie hätten Gray geheiratet.«
    »Ja.«
     
    »Aber dann sind Sie doch jetzt eine Calhoun, oder nicht?« Mordi ging ihr voran in die Küche, wo ein kleiner Tisch und zwei Stühle in einer Ecke standen. Sie bot Lucinda einen Platz an und streckte sich nach einem Einmachglas voller Münzen, das auf dem Kühlschrank stand. »Sagt Ihnen der Begriff ›Charonspfennig‹ etwas?«
    »Ist das vielleicht eine Band?«
    Mordi starrte Lucinda einen Moment lang wortlos an, dann begann sie zu kichern. »Entschuldigen Sie, aber da liegen Sie ganz falsch.«
    Als Mordi eine Silbermünze aus dem Glas herausgeholt hatte, stellte sie es auf seinen Platz zurück. Dann setzte sie sich Lucinda gegenüber und schob ihr die Münze hin. »In der griechischen Mythologie war Charon der Fährmann, der die Toten über den Fluss zum Eingang des Totenreiches brachte. Die Toten mussten die Überfahrt mit einer Geldmünze, dem sogenannten Charonspfennig, bezahlen.«
    Lucinda nahm die Silbermünze in die Hand. Sie sah alt aus. Auf der einen Seite prangte der furchterregende Kopf der Medusa und auf der anderen ein Anker. »Ich habe mich in der Schule mit der antiken Mythologie beschäftigt. Schon im alten Griechenland wusste man, dass Magie existiert. Wie es zu den vielen Geschichten über die Götter und Göttinnen kam, weiß ich trotzdem nicht. Die Schriftrollen unserer Göttin sind viel älter als die aller bekannten Religionen.«
    »Aber sie waren damals noch nicht entdeckt worden«, gab Mordi zu bedenken. »Erst die Römer fanden die ersten Exemplare der Schriftrollen, allerdings viel später. Sie gründeten damals die Geschlechter der Magier. Bei den Römern hieß der Obolus übrigens ›Viaticum‹, Wegzehrung. Bei den Griechen war der Obolus eine geringwertige Münze, ein Obolus entsprach dem Gegenwert von einer Sechstel-Drachme. Die Toten mussten einen solchen Obolus oder eine Danake, eine Münze selben Wertes, zahlen. Die Münze wurde ihnen in den Mund gesteckt, seltener auf die Augen gelegt.«
    »Sie besitzen mit dieser Münze einen greifbaren Teil Geschichte.«
    »Meine Familie hat schon immer ein Faible für alles Tote gehabt«, grinste Mordi. »Moment. Das klingt sogar in meinen Ohren seltsam. Ich meinte damit, wir sammeln Geschichten, Gegenstände, Bilder, die sich mit dem Thema Tod befassen. Nicht jeder versteht diese Faszination. Für mich ist der Tod nicht nur mein Beruf, sondern auch meine Leidenschaft.«
    »Das merkt man.« Lucinda hielt Mordi die Münze hin. »Aber auf angenehme Art.«
    »Behalten Sie die Münze.«
    »Das kann ich nicht. Sie ist doch sicher sehr viel wert – und noch dazu eine Geldmünze. Und ich verliere alles Geld.«
    »Wenn Sie sie verlieren, wird jemand anders sie finden. Jemand, der die Münze nötiger braucht als ich.«
    »Und wenn nicht?«, fragte Lucinda, als sie die Münze wieder in die Hand nahm und sie sich noch einmal genauer betrachtete.
    »Dann hält der Fluch Sie nicht länger für eine Rackmore.« Ein Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf. Wäre es nicht möglich, dass sie durch die Annahme von Grays Familiennamen dem Fluch der Rackmores entkommen sein könnte? Wahrscheinlich hatten jede Menge Rackmores allein aus diesem Grund geheiratet. Aber nie war ihr zu Ohren gekommen, dass die Namensänderung einen Unterschied gemacht hätte. Nur Kerren hatte es geschafft, den Fluch von sich abzuwenden, für die Erhaltung ihres Reichtums und ihrer Macht aber einen sehr hohen Preis gezahlt.
    »Danke«, sagte Lucinda und steckte den Obolus in die Gesäßtasche ihrer Jeans.
    »Gern geschehen. Und jetzt mache ich endlich Tee. Und Sie sehen sich die Grabsteine an.«
     
    Arlene ordnete zum x-ten Mal ihren Schreibtisch. Sie hatte alles abgeheftet, was abzuheften war, die Fenstersimse gesäubert und den Fußboden gewischt. Sie war schrecklich gespannt zu erfahren, was der Sheriff im Café entdeckt hatte. Mit Sicherheit hatte Cathleen selbst das Feuer gelegt. Doch ein Selbstmord. Das war so gar nicht ihre Art. Sie hatte

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