Eine Hexe in Nevermore
Versorgungsbetriebe. Jedenfalls nicht sofort.«
»Du meinst, ich soll den Archers von meinem Geld einen Kredit gewähren?«
Lucinda hob die Hände. »Ich würde es tun, aber du weißt ja – ich habe kein Geld. Aber ich könnte in ihrem Geschäft arbeiten, unentgeltlich, bis sich alles eingespielt hat und sie jemanden einstellen können.« Sie hatte keine Ahnung, was Gray von ihrem Vorschlag hielt. Begeisterung sah jedenfalls anders aus. »Almosen würden die Archers nicht annehmen. Sie würden die Gebühren zahlen wollen wie jeder andere in Nevermore. Sie brauchen nur eine kleine Starthilfe.«
Gray räusperte sich. »Nur damit ich dich richtig verstehe – ich als der Hüter soll den Archers die Geschäftsurkunde für den Gemischtwarenladen umsonst aushändigen. Dann soll ich als Privatmann Gray Calhoun einen Gründungskredit finanzieren, und du, meine Frau, willst dort unentgeltlich arbeiten, bis die beiden sich Angestellte leisten können.«
»Bitte denk darüber nach, Gray. Sie wären so glücklich, wenn sie das Geschäft wieder führen dürften! Es wäre ein neuer Lebensinhalt für die beiden. Den braucht jeder Mensch. Und Nevermore braucht ein Geschäft.«
»Du flehst mich ja richtig an.«
»Wenn es etwas nutzt, gehe ich sogar auf die Knie.«
»Nicht nötig.« Er stand auf, ging um den Tisch herum und kniete vor ihr nieder. »Du bist brillant. Auf diese Idee hätte ich selbst kommen müssen!« Er schüttelte den Kopf. »Verdammt noch mal! Ich war so ein Egoist. Ich habe immer nur mich und meinen eigenen Frust gesehen. Fünf Jahre lang habe ich in diesem Haus gehockt und nur an mich gedacht. Was für ein Idiot ich war!«
»Du hast eben einen Schutzwall um dich herum aufgebaut. Ich verstehe das, Gray. Aber du musst aufhören, dich für deine Versäumnisse zu martern. Ab jetzt wirst du das Richtige tun. Und daran werden sich die Menschen erinnern.«
»Du hast mich an ihrer Stelle gefragt, habe ich recht?«
»Ja. Ich würde alles dafür tun, damit sie ihr Familienerbe zurückbekommen.«
»Ich möchte nicht, dass du mich anbettelst, zum Wohl einer Familie, die ich selbst schon mein Leben lang kenne.« Er nahm ihre Hände und küsste ihre Fingerknöchel. »Die Welt gehört dir, Liebling. Du kannst alles von mir haben.«
Natürlich war das nicht die ganze Wahrheit. Liebe konnte sie nicht von ihm erwarten. Oder ein Kind. Oder eine echte Ehe. Sein Herz litt immer noch unter den seelischen Schmerzen, da war kein Platz für sie und ihre Träume. Gray ging seinen Weg, und dieser Weg war unmittelbar mit Nevermore verbunden. Er brauchte seine Stadt, und alle in der Stadt brauchten ihn.
Sie würde die Stadt eines Tages wieder verlassen. Doch bis sie ihren eigenen Weg gefunden hatte, wollte sie hier Gutes tun.
»Ich habe noch viel mehr Ideen.« Lucinda blickte ihn verschwörerisch an.
»Okay. Lass uns in die Bibliothek gehen und dort alles besprechen.«
»Du möchtest Grits Rat hören?«
»Nein, ich will ihn ärgern.« Er stand auf und zog Lucinda hoch. »Komm, lass uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir unser kleines Eckchen dieser Welt verändern können.«
Ant drehte sich im Bett herum und stöhnte. Seine Augen waren verklebt, und er war ziemlich groggy, weil er so schlecht geschlafen hatte. Happy war ihm nicht aus dem Kopf gegangen und was er gern mit ihr tun würde. Aber sie war erst sechzehn, verdammt! Und hübsch war sie, mit ihren blonden Haaren und den blauen Augen, dem herzförmigen Gesicht und ihrem bereits sehr fraulichen Körper. Und wenn sie lachte, hatte sie Grübchen. Grübchen! Doch ihr Herz und ihr Verstand waren noch die eines kleinen Mädchens. Er kam sich vor wie ein alter Lüstling, wenn er so schmachtend an sie dachte.
Jetzt brauchte er erst einmal einen Kaffee.
Und eine kalte Dusche.
Er hatte in einer Pyjamahose geschlafen, ein Zugeständnis an seinen weiblichen Gast. Normalerweise trug er nur seine Unterwäsche. Jetzt streifte er sich ein T-Shirt über und ging nach unten, um nach ihr zu sehen. Doch im Wohnzimmer war sie nicht. Die Couch war leer. Er starrte auf die Bettdecke, die sorgfältig gefaltet auf dem Kissen lag. Ihr Rucksack war weg. Und sie auch.
Mist.
»Sie ist draußen.«
Ant wirbelte herum. Taylor stand im Flur, in seine Uniform gekleidet und eine Tasse Kaffee in der Hand.
»Aber ihre Sachen sind weg.«
»Die hat sie in die Küche gebracht. Ich habe extra ein paar mehr Pfannkuchen gemacht, falls du auch welche haben willst.«
Ungläubig starrte Ant seinen
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