Eine hinreißende Schwindlerin
mir.“
Ned fand, dass ihre Stimme sich wie Glockenklang anhörte, aber nicht metallisch hart, sondern eher wie ein zartes Glockenspiel an einem klaren Wintertag.
Ihr Blick fiel nun auf den undefinierbaren Gegenstand in Blakelys ausgestreckter Hand. Ihre makellose Stirn legte sich in Falten. „Das soll ich verloren haben? Das glaube ich kaum.“ Ein leicht verstimmter Ton im Glockenspiel.
Blakely zuckte die Achseln. „Wie Sie meinen.“ Er drehte sich um.
Diese Unverschämtheit! Er versuchte nicht einmal, Madame Esmeraldas Prophezeiung eine gerechte Chance zu geben!
Ned packte seinen Cousin am Handgelenk und drehte ihn wieder um. „Doch, ich denke schon. Wo soll das sonst hergekommen sein?“ Außer aus Blakelys Tasche. Oder mindestens fünfzehn anderen Quellen, die ihm spontan einfielen.
„Ich versichere Ihnen“, entgegnete sie mit einer gewissen Schärfe, „wenn dieser Gegenstand mir gehören würde, hätte ich nicht bis zu diesem Ball gewartet, um mich seiner zu entledigen. Und selbst wenn ich ihn tatsächlich verloren hätte, würde ich niemals zugeben, seine Eigentümerin zu sein.“
„Nun ja“, erwiderte Ned gedehnt und straffte die Schultern. „Wenn Sie ihn nicht verloren haben, müssen Sie ihn trotzdem annehmen.“
Ihre Lippen wurden schmal. „Warum?“
Ja, warum? Verdammt.
„Ich wüsste keinen vernünftigen Grund dafür“, warf Blakely ein und sein Blick wirkte leicht spöttisch.
Ned verlor den Mut. Sein Cousin würde alle seine Aufgaben so halbherzig verrichten. Er hatte gar nicht vor, Madame Esmeraldas Anweisungen ernst zu nehmen. Er war bereit, der Form halber das Allernötigste zu tun, aber kein bisschen mehr.
Doch Madame Esmeralda hatte recht. Sie konnte wirklich in die Zukunft sehen. Es musste einfach so sein. Denn wenn sie sich in Bezug auf Blakely irrte, dann waren auch ihre Prophezeiungen für Ned unsicher. Und den Gedanken konnte er nicht ertragen.
Ned nahm seinem Cousin das Stück Holz ab und hielt es der Dame hin. Es gab nur eins – er musste diese Geschichte selbst in die Hand nehmen. „Leider“, gab er seufzend zu, „gibt es tatsächlich keinen guten Grund dafür. Trotzdem werden Sie es einfach annehmen müssen.“
Sie betrachtete den unglückseligen Holzklumpen irritiert. „Was soll das überhaupt sein?“
„Wofür halten Sie es denn?“
Die Dame streckte einen schlanken Finger aus und tippte auf die dunkle Oberfläche, dann zog sie ihn rasch weder zurück, als hätte sie sich verbrannt. „Es sieht aus wie eine pockennarbige, hässliche, verkohlte … Orange?“
„Siehst du?“ Triumphierend packte Ned Blakely am Revers seiner Jacke. „Sie wusste es! Sie hat erkannt, dass es ein Elefant ist! Jetzt kannst du nicht mehr bestreiten, welche Macht Madame Esmeralda hat!“
Endlich zeigte Blakely eine Reaktion. Er schloss die Augen und schlug die Hand vor das Gesicht.
Die Dame runzelte die Stirn. „Eine Orange soll ein Elefant sein?“
Sie war elegant – und einschüchternd. Ned stellte sich vor, was für eine Figur er in ihren Augen wohl abgeben musste. Jung, schlaksig. Überragt von seinem größeren Cousin. Unbeholfen, plump und immer im falschen Moment eine Spur zu laut. Vor allem in diesem Moment. Er wurde rot. „Ja“, sagte er. Seine Stimme klang immer noch zu laut.
„Nein“, erwiderte Blakely genau gleichzeitig.
Sie starrte die beiden Männer an. „Sie“, sagte sie und zeigte auf Ned, „sind verrückt. Sie …“, fuhr sie fort und zeigte auf Blakely, „… sind durch und durch verdorben. Und Sie“, damit meinte sie Madame Esmeralda, die sich im Hintergrund gehalten hatte, „sind sehr still. Was mich betrifft, so gehe ich jetzt.“
Wenn sie jetzt fortging, würden nicht einmal mehr die Engel im Himmel sie und Blakely zusammenbringen können. „Warten Sie“, rief Ned ihr nach. „Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt! Und Ihren Elefanten haben Sie auch nicht mitgenommen.“
Sie drehte sich wieder um. „Nein, wir haben uns nicht vorgestellt und ein Geschenk von einem Fremden kann ich beim besten Willen nicht annehmen.“
Ned biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, warum er sich nicht bitte auf der Stelle in Luft auflösen konnte. „Ach, diese dumme Regel gilt in dem Fall nicht. Sie gilt nur für schöne Dinge wie Kleidung oder Schmuck oder so etwas in der Art. Das hier ist doch nur Schund.“
Sie sah Ned kopfschüttelnd an. „Sie sind wirklich komplett verrückt.“
„Ja“, gab er zähneknirschend zu. „Und nun tun Sie
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