Eine Katze im Wolfspelz
haben ihn dafür bezahlt, daß er die Katze aus der Wohnung der Tyres holte. Genau wie den Jungen aus der Nachbarschaft von Jill Bonaventura, der die Katze aus ihrem Apartment geholt hat. Das Dumme ist nur, daß Billy Shea Arcenaux nicht identifizieren kann. Er sagt, der Mann, der ihn beauftragt hat, hätte eine große dunkle Brille getragen.«
»Darum soll sich Judy Mizener kümmern.«
»Weißt du denn, wie Arcenaux in die ganze Sache geraten ist? Er hatte doch schließlich gar keine Katze. Und er macht eigentlich nicht den Eindruck, als ob er sich ganz besonders für alte ägyptische Mythologie interessieren würde.«
»Ich habe herausgefunden, daß Arcenaux, als er bei der New Yorker Polizei anfing, als Streifenpolizist im Central Park eingesetzt war. Vielleicht hat er dort Jack Tyre kennengelernt. Tyre brauchte jemanden, der sich mit Waffen auskannte.«
Tony lehnte sich zurück und streckte sich. Dann schüttelte er langsam und ungläubig den Kopf.
»Alice«, sagte er, »erzähl mir was über diese Leute. Ich möchte gerne wissen, warum sie das getan haben.«
»Du meinst, warum sie diesen Glauben hatten?«
»Ich meine, warum sie so überzeugt davon waren, daß sie sogar ihr Leben gegeben haben, aus freiem Willen.«
»Viele Menschen streben nach Unsterblichkeit. Viele Menschen glauben, daß das Leben wertlos ist. Es hat schon sonderbarere Kulte gegeben.«
»Aber, Alice ...«
»Versteh mich nicht falsch, Tony. Ich will nicht entschuldigen, was sie getan haben. Aber die Grundidee ist schon faszinierend: für immer im Körper jener Wesen zu leben, die man am meisten geliebt hat.«
»Eine Katze ist eine Katze, Alice.«
»Nein, Tony. Eine Katze ist ... na ja, in einer einsamen, harten Welt wie dieser ist eine Katze ein Symbol dessen, was uns an Schönheit, Grazie und Ehrlichkeit noch geblieben ist.«
Plötzlich waren mir meine hochtrabenden Worte peinlich. Ich wechselte abrupt das Thema.
»Ich muß jetzt zu einem Catsitterjob, nur ein paar Blocks von hier. Hast du Lust mitzukommen?«
»Warum nicht? Das ist allemal besser als die Adirondacks.«
Wir verließen den Coffee-Shop und gingen langsam zu Mrs. Salzmans Haus. Hand in Hand, wie Kinder, betraten wir die Wohnung.
Auf dem Weg hatte ich Tony von Abaelard erzählt. Und ich hatte ihm auch erzählt, daß ich seit meinem letzten Besuch bei Mrs. Salzman fest entschlossen war, Abaelard hervorzulocken und ihn endlich in Augenschein zu nehmen.
In der Küche fand ich einen sehr netten Abschiedsbrief von Mrs. Salzman, der an meinen Umschlag mit dem Honorar geheftet war. Ich steckte beides in meine Handtasche.
»Wo ist das Vieh?« fragte Tony.
»Irgendwo in dieser Wohnung. Wir müssen lauschen und ihn ausfindig machen. Abaelard ist ein Meister des Versteckspiels. Aber manchmal kann man ihn unter den Möbeln hören.
Wir gingen langsam durch die Wohnung und lauschten. Es war kein Laut zu hören.
»Bist du sicher, daß hier überhaupt eine Katze ist?« fragte Tony.
»Sei nicht blöd. Natürlich.« Ich zog Tony zuerst zu dem Freßnapf und dann zum Mülleimer. Beide bewiesen zweifelsfrei, daß in dieser Wohnung eine Katze lebte. »Abaelard hat nur keine Lust, sich zu offenbaren«, erklärte ich.
»Warum?«
»Ich weiß es nicht.«
Plötzlich legte Tony seinen Zeigefinger an die Lippen.
Eine Sekunde später ließ er seine Hand auf einen Tisch knallen! Es hörte sich an wie eine Explosion.
Und dann hörten wir deutlich ein Trappeln unter den Möbeln. Das war Abaelard!
Tony ging voraus. Ich folgte ihm. Er schlug abermals mit der Hand auf ein Möbelstück. Und wieder hörten wir Abaelard vor dem Geräusch davonhuschen.
Es war klar, was Tony vorhatte. Er wollte den armen Abaelard mit diesen lauten Geräuschen in eine Ecke treiben, wie ein Schäferhund eine Herde Schafe treibt.
Wir bewegten uns durch den Flur und trieben ihn schließlich in eine Nische zwischen dem Ende des Flurs und dem Wohnzimmer, unter ein Sofa.
»Wir haben ihn«, sagte Tony schadenfroh. »Ich hebe das Sofa hoch. Du fängst deinen Freund.«
Wie lange hatte ich mir gewünscht, Abaelard endlich zu Gesicht zu kriegen und ihn auf den Arm zu nehmen! Tony fing an, das Sofa hochzuheben.
»Warte«, rief ich. Er blickte mich verwundert an. »Was ist los, Alice? Ich dachte, du wolltest diese Katze fangen.«
Ich wandte mich ab. Plötzlich wurde mir klar, daß ich den armen Abaelard überhaupt nicht sehen wollte. Mir wurde bewußt, daß ich vor der zugegebenermaßen ziemlich unwahrscheinlichen
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