Eine Katze kommt selten allein
Selbstmord gewesen war. Er hatte einen männlichen Studenten verführt. Der junge Bursche hatte meinen Freund ermordet und dessen Selbstmord vorgetäuscht. Als ich mehrere Briefe des Studenten fand, die er an meinen Freund geschrieben hatte, zeigte ich sie der Polizei, woraufhin der Student vernommen wurde. Er gestand zwar den Mord, behauptete jedoch, das Opfer einer homosexuellen Vergewaltigung gewesen zu sein. Als es zur Verhandlung kam, glaubten die Geschworenen dem Studenten. Sie verurteilten ihn wegen Totschlags im Affekt zu läppischen achtzehn Monaten Gefängnis.
Mein ermordeter Freund hatte zwei niedliche Katzen hinterlassen. Von einem Professor am Institut für Theaterwissenschaften erfuhr ich, daß ein Ehepaar mit Namen Starobin ganz gewiß ein neues Heim für die Katzen finden würde – wenn es jemanden gab, der das rasch und problemlos erledigen könne, dann die Starobins. Der Professor hatte recht. Harry und Jo Starobin fanden ein neues Zuhause für die Katzen. Und als sie erfuhren, daß ich eine Schauspielerin war, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Catsitten verdiente, gaben sie mir den Job.
Ich nahm zwei Vuitton-Reisetaschen – Geschenke eines alten Bewunderers – aus dem Schrank, brachte sie ins Schlafzimmer, stellte sie aufs Bett und fing an zu packen: zuerst kamen die Handtücher, dann Schuhe, dann Toilettenartikel, dann Katzenfutter, dann meine Kleidung, dann ein paar Glenn-Gould-Musikkassetten, dann eine neue Biographie über Eleanora Düse. Dann machte ich Pause. Ich hatte noch mehr zu packen, aber ich war müde. Ich ging durch den langen Flur ins Wohnzimmer, legte mich neben Bushy und dessen psychedelische Kugel aufs Sofa und schlief ein.
Ein paar Minuten nach sechs Uhr abends weckte mich die Türklingel. Ich sprang auf, rannte los, um den Knopf des Türöffners zu drücken, und trat dabei unabsichtlich gegen Bushys neues Spielzeug, das quer durchs Zimmer flog, bis es klirrend gegen eine Lampe prallte. Ich war von meinem Nickerchen noch so benommen, daß ich mich für einen Augenblick fragte, wie so ein häßlicher Basketball in meine Wohnung gekommen war; dann stellte ich mir verwundert die Frage, warum ich nirgends einen Christbaum entdecken konnte, bis mir einfiel, daß ich ja keinen Weihnachtsbaum mehr kaufte, weil die Katzen die Nadeln fraßen. Ich hatte offenbar sehr tief geschlafen.
Ich öffnete die Tür, trat auf den Flur und ging zum Treppenhaus, um nachzuschauen, ob es sich bei meinem Besucher tatsächlich um Carla handelte. Falls es jemand anders sein sollte – in meiner Nachbarschaft war alles möglich –, würde ich mich schleunigst in die Sicherheit meiner Wohnung zurückziehen.
Ich lehnte mich über das Geländer und sah auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock eine Frau. »Bist du das, Carla?«
»Nein«, rief sie zu mir hoch. »Der Nikolaus.«
Ich beobachtete, wie sie die letzten beiden Treppen hinaufstieg. Ja, es war Carla, aber sie sah anders aus als früher.
Ich hatte Carla Fried als extravagante junge Frau in Erinnerung. Ihre Kleidung, ihr Auftreten und ihre Ansichten waren immer ziemlich extravagant gewesen. Aber die Frau, die jetzt auf mich zukam, trug einen nüchternen Geschäftsanzug mit allem Drum und Dran, sogar mit Krawatte. Über einem Arm lag ein teurer Mantel aus Kalbsleder. Ich wußte natürlich, daß Carla inzwischen Leiterin einer gefeierten Theatertruppe in Montreal war; aber das war denn doch ein bißchen viel des Guten.
Doch meine kritische Distanz schwand dahin, als Carla schwungvoll die letzten Stufen nahm. Wir umarmten uns wie Teenager und lachten und schluchzten zugleich.
Dann zog ich Carla in meine Wohnung, nahm Bushy auf den Arm und drückte Carla das langhaarige, rotweiße Bündel an die Brust. Carla kuschelte Bushy an sich. Er blickte total perplex drein.
»Und das ist Pancho«, sagte ich und zeigte auf meinen zweiten Liebling. Er saß in Angriffshaltung auf dem Tisch, in gefährlicher Nähe zum gegrillten Hähnchen.
»Es ist so lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte Carla und setzte sich aufs Sofa. Sie war ein bißchen pummelig geworden und hatte ihr langes schwarzes Haar zu einem altjüngferlichen Knoten gebunden. Außer Lidschatten trug sie kein Make-up.
»Trinkst du immer noch Heineken-Bier?« fragte ich.
»Immer.«
Ich ging in die Küche und kam mit einer Flasche zurück, ohne Glas, denn ich konnte mich erinnern, daß Carla ihr Bier immer schon lieber aus der Flasche getrunken hatte.
In dem
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