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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Augenblick, als ich neben ihr saß, fingen wir auch schon an, über alte Freunde zu plappern, über alte Geschichten und ehemalige Liebhaber; über Männer, Theater, Wohnungen, Essen, das Wetter, die Politik; über Montreal und New York; über Gott und die Welt.
    Unser Geschnatter endete so plötzlich, wie es angefangen hatte. Carla lehnte sich zurück und nuckelte an der Flasche. Ihr Gesicht war immer noch wunderschön, doch ich konnte die ersten grauen Haare in ihrer Knotenfrisur entdecken.
    »Wo hast du dich einquartiert, Carla?« fragte ich.
    »Im Gramercy-Park-Hotel.«
    »Oh, vom Feinsten«, bemerkte ich und fügte hinzu: »Du kannst gern ein paar Tage bei mir wohnen. Ich reise morgen früh ab.«
    »Warum?«
    »Ein Catsitter-Job auf Long Island.«
    »Ach ja, ich habe davon gehört.«
    »Du hast davon gehört?«
    »Na ja, als ich letztes Jahr in Chicago gewesen bin, hat Jane mir erzählt, daß du Catsitterin geworden bist, weil deine Vorlieben, was das Theater angeht, ein bißchen ins Verrückte abgeglitten sind.«
    Ich lachte. »Katzen und Verrückte habe ich schon immer gemocht, Carla.«
    »Es fällt mir wirklich schwer, mir vorzustellen, daß du in einem bemalten Trikot über die Bühne hüpfst, während neben dir eine nackte Frau Cello spielt und ein halb Bekloppter dem Publikum wüste Beschimpfungen an den Kopf wirft.«
    »Die Zeiten ändern sich, wie auch der Geschmack«, stellte ich fest und zeigte auf ihr neues Outfit. Sie spielte die Beleidigte; dann warf sie ein Kissen nach mir.
    »Ich habe noch was gehört, Alice. Daß du dich neuerdings mit Verbrechen beschäftigst.«
    »Meinst du Ladendiebstahl?«
    »Ich meine Tyler.«
    Tyler war mein schwuler Freund aus Stony Brook, der von dem Studenten ermordet worden war.
    »Das war eine sehr seltsame Geschichte, Carla. Die Polizei rief mich an und sagte mir, Tyler hätte Selbstmord begangen – sich die Pulsadern aufgeschnitten. Aber nur zehn Tage vor seinem angeblichen Selbstmord hatte ich mit ihm gesprochen, und da ging es ihm wirklich gut. Außerdem wußte ich, daß Tyler sich nie und nimmer die Pulsadern aufgeschnitten hätte. Er konnte auf den Tod kein Blut sehen – entschuldige den dummen Ausspruch. Jedenfalls bin ich nach dem Anruf der Polizei zu Tylers Wohnung gefahren, um dort sauberzumachen. Da habe ich dann Briefe gefunden, die der Student an Tyler geschrieben hatte – sehr eindeutige Briefe. Ich habe zwei und zwei zusammengezählt und bin zur Polizei gegangen. Und dann stellte sich heraus, daß Tyler und der junge Mann Liebhaber gewesen waren und daß Tyler den Preis dafür bezahlt hatte, daß es zwischen den beiden nicht mehr klappte.«
    »Das ist aber eine komische Ausdrucksweise, Alice.«
    »Welche Ausdrucksweise?«
    »Daß es ›zwischen den beiden nicht mehr klappte‹.«
    »Na ja, jedenfalls hat der Student ihn ermordet.«
    »Wieso hat die Polizei es für Selbstmord gehalten?«
    »Weil Tylers Handgelenke mit einer Rasierklinge aufgeschlitzt waren. Der Student hatte Tyler zuerst in der Badewanne ertränkt und ihm anschließend sofort die Pulsadern geöffnet. Gräßlich, aber einfallsreich. Die Polizei hielt die Sache für einen ganz normalen Selbstmord mit dem üblichen Verlauf: der Betreffende schneidet sich die Pulsadern auf; dann tritt der Blutverlust ein, dann die Bewußtlosigkeit und dann der Tod durch Ertrinken.«
    »Igitt.«
    »Genau.«
    »Tyler war ein wunderbarer Mann«, sagte Carla. »Kannst du dich noch an den Essay erinnern, den er über Pinters Geburtstagsparty geschrieben hat?«
    »Über Die Heimkehr«, verbesserte ich sie.
    »Na ja, jedenfalls solltest du mich mal in Montreal besuchen, wenn du etwas für scheußliche Morde übrig hast. Metzeleien gehören zu den Besonderheiten in zweisprachigen Gesellschaften.«
    »Carla! Ich habe nichts für scheußliche Morde übrig.«
    »Bist du schon mal bei uns im Norden gewesen?«
    »Nein.«
    »Es ist wirklich sehr schön dort.«
    »Du meinst, für dich ist es schön dort, nicht wahr?«
    Carla nickte und sagte lachend: »In letzter Zeit sogar noch schöner. Hast du schon mal von Thomas Waring gehört?«
    »Nein.«
    »Waring ist ein spleeniger kanadischer Millionär. Er hat nicht alle Tassen im Schrank. Der Kerl glaubt, er könnte sich Kultur kaufen – einfach alles kaufen. Deshalb hat er mir anderthalb Millionen gegeben.«
    »Dir… gegeben?«
    »Genau. Mir gegeben. Schlicht und einfach gegeben. Er hat mir eine Million fünfhunderttausend Dollar gegeben, für die ich im nächsten Jahr

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