Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
Vom Netzwerk:
Löchern auszumerzen, keineswegs aufgegeben hat.
    â€žWissen Sie, warum wir die bessere Offiziersrasse sind? Nicht wegen der Ausbilder aus Sandhurst. Oh, nein. Weil wir auf dünnen Baumwollmatratzen unter rauen Wolldecken schliefen, die sich anfühlten wie Eselsärsche!“
    Ich schaue über seinen Kopf hinweg, lasse den Blick über die Wand mit den Fotos von vergangenen Präsidenteninspektionen schweifen und versuche, meinen Vater zu entdecken. Dann wandern meine Augen weiter zu den großen glänzenden Trophäen in der gläsernen Vitrine.
    Richtig, die etwa zwanzig Zentimeter hohe Bronzefigur mit der Pistole ist meine. Die Shigri-Gedenktrophäe für den besten Schützen auf kurze Distanzen, benannt nach Colonel Quli Shigri, gewonnen von Unteroffizier Ali Shigri.
    Ich will im Moment nicht an Colonel Shigri oder den Deckenventilator und das Bettlaken denken, das sie verband. Der Gedanke an meinen Vater, den Deckenventilator und das Bettlaken macht mich entweder immer sehr wütend oder sehr traurig. Für keine dieser Empfindungen ist hier der richtige Ort.
    â€žUnd schaut sie euch jetzt an!“ Der Kommandant wendet sich mir zu. Meine Arme rasten an den Seiten ein, mein Nacken schiebt sich unauffällig in eine Position, aus der ich weiter auf den Bronzemann starren kann.
    Verschone mich, denke ich, schließlich habe ich die beschissenen Schaumgummimatratzen nicht erfunden.
    â€žUnd diese Perverser …“ Nettes neues Wort, sage ich mir. So erhält er seine Autorität aufrecht. Durch die Verwendung neuer Ausdrücke, die man zwar nicht genau versteht, von denen man aber weiß, was sie für einen selbst bedeuten.
    â€žDiese Perverser schlafen auf zwanzig Zentimeter dicken Matratzen unter beschissenen Seidendecken, und jeder von ihnen hält sich für eine beschissene Mogulprinzessin in den Flitterwochen.“ Er reicht dem 2. OIC den zerknitterten Rilke – ein Zeichen, dass er die Befragung fortführen kann.
    â€žGehört das Ihnen?“ Der 2. OIC wedelt mit den Gedichten vor meiner Nase herum. Ich versuche, mich an etwas daraus zu erinnern, bleibe aber bei einer halb vergessenen Zeile über einen Baum, der aus einem Ohr wächst, stecken, die schon auf Englisch ziemlich schräg klingt, völlig verrückt jedoch in gereimtem Urdu. Ich frage mich, was dieser Spinner auf Deutsch geschrieben hat.
    â€žNein, aber ich kenne die Handschrift“, sage ich.
    â€žAuch wir kennen die Handschrift“, verkündet er triumphierend. „Was hat das in Ihrer Matratze zu suchen?“
    Ich wünschte, sie hätten den Rum oder das Video gefunden. Manche Dinge erklären sich selbst.
    Ich bleibe bei der Wahrheit.
    â€žEs war ein Geburtstagsgeschenk von Kadett Obaid“, sage ich. Der 2. OIC reicht die Gedichte wieder dem Kommandanten, als hätte er damit das Plädoyer für seinen Fall abgeschlossen – woraus auch immer der Fall bestand.
    â€žIch habe in diesem Laden schon alle möglichen Schwuchteln gesehen.“ Der Kommandant spricht mit Nachdruck. „Aber eine Schwuchtel, die einer anderen Schwuchtel Gedichte schenkt, die die andere Schwuchtel dann in ein Loch in ihrer Matratze stopft, übersteigt alles, was ich je erlebt habe.“
    Ich würde ihm gern sagen, wie rasch ein Wort seinen Zauber verliert, wenn man es überstrapaziert, aber er ist noch nicht fertig.
    â€žDas kleine Arschloch denkt, es ist schlauer als wir“, sagt er an den 2. OIC gewandt, der sich offenbar königlich amüsiert. „Der ISI soll mal ein Wörtchen mit ihm reden.“
    Ich weiß, dass er noch immer nicht fertig ist.
    â€žHör gut zu, Junge, du bist vielleicht ein Schlauberger und wirst vielleicht irgendwann alle Schwuchtelgedichte der Welt gelesen haben, aber ich besitze etwas, das nicht zu überbieten ist: Erfahrung. Ist das nicht ein Gedicht? Als ich das erste Mal diese Uniform angezogen habe …“
    Ich werfe einen letzten Blick auf den Bronzemann mit der Pistole. Colonel Shigri starrt mich mit hervorquellenden Augen an. Nicht der richtige Ort, ermahne ich mich.
    Der Kommandant spürt meine momentane Geistesabwesenheit und wiederholt: „Als ich diese Uniform angezogen habe, warst du noch in flüssigem Zustand.“
    Der 2. OIC führt mich ab. Auf dem Rückweg in die Zelle bemühe ich mich, den Salut der vorbeimarschierenden Kadetten zu ignorieren. Ich will möglichst den Eindruck

Weitere Kostenlose Bücher