Eine Krone für Alexander (German Edition)
sodass der kunstvoll drapierte Überwurf seines
Himations von der Schulter rutschte. Er achtete nicht darauf. „Ich bin dein
Vater und König! Du wirst mich mit Respekt behandeln, oder du kannst gehen,
wohin du willst.“
„Wenn du zulässt, dass dein Erbe von einem Dreckskerl wie
Attalos vor aller Augen beleidigt wird, dann sollte ich vielleicht wirklich
gehen!“
„Dann verschwinde! Nimm deine Mutter, die Hexe, und verschwinde
aus meinem Königreich! Glaubst du, ich weiß nicht, dass ihr zwei hinter meinem
Rücken gegen mich intrigiert?“ Philipp hob die rechte Hand, sodass der Ring
daran aufblitzte. „Ich weiß, du willst ihn haben! Du kannst es gar nicht
erwarten, dass ich tot bin und du ihn mir vom Finger zerren kannst! Aber noch
bin ich nicht tot! Ich bin sehr lebendig und kann noch viele Söhne zeugen.“
Alexander verzog sein Gesicht zu einem höhnischen Grinsen.
„Dann solltest du dich damit ranhalten. Es dauert ein paar Jahre, bis sie alt
genug sind, um deine Schlachten für dich zu gewinnen.“
Philipp verlor endgültig die Beherrschung. „Du arroganter
Lümmel! Wofür hältst du dich? Der Löwe von Chaironeia? Ich bin es, der bei
Chaironeia gesiegt hat! Ich – nicht du! Ich habe die Athener und die Thebaner
besiegt, die Illyrer und Thraker und Skythen, und ich werde auch die Perser
besiegen! Ich bin der größte König dieses Landes, der größte Mann, den
Griechenland je gesehen hat – der neue Agamemnon! Und du? Was hast du schon
geleistet? Verglichen mit mir bist du ein Nichts! Du hast noch lange nicht das
Format, um mit mir mithalten zu können. Mehr noch: Du wirst es nie haben!“
„Ich werde ein größerer König sein, als du je warst!“,
schrie Alexander. „Du willst der neue Agamemnon sein? Demades hatte recht: Du
bist nichts als ein hinkender, besoffener Thersites! Die Griechen lachen über
dich, für sie bleibst du, was du immer warst: ein Barbar aus dem Norden! Ich
dagegen bin der Erbe von Göttern und Helden, ein neuer Achilleus! Wenn ich erst
König bin, wird sich kein Mensch mehr an dich erinnern.“
„Undankbarer Bengel! Habe ich nicht alles für dich getan?
Und wie dankst du es mir?“
„Und was habe ich für dich getan? Vor Byzantion habe ich dir
das Leben gerettet! Erinnerst du dich, wie du dalagst und ich meinen Schild
über dich hielt, während die Meuterer sich jeden Augenblick auf uns stürzen
konnten? Statt aufzustehen und dich zu verteidigen wie ein Mann, hast du dich
auf dem Boden zusammengerollt wie ein Feigling!“
Philipp zog das Schwert und stürzte sich auf seinen Sohn.
Erschrockene Schreie erschollen von allen Seiten. Philotas und Nikanor
versuchten, Alexander fortzuzerren, Hephaistion warf sich vor ihn und
versuchte, ihn mit dem eigenen Körper zu decken, während Philipp auf sie
zuwankte.
Er hatte sie fast erreicht, als er stolperte, vielleicht
über den Saum seines Gewandes, vielleicht wegen seines lahmen Beines. Er
versuchte, sich zu fangen, taumelte und stürzte krachend auf ein Tischchen, das
vergessen im Weg stand, begrub Teller und Essen unter sich. Der Tisch brach mit
einem knackenden Geräusch zusammen, Wein spritzte, Becher rollten davon. Alle
starrten auf den König, der sich stöhnend auf dem Boden wälzte, waren zu
verstört, um ihm zu helfen. Vergeblich versuchte Philipp, sich in dem Gemenge
von Möbeltrümmern, zerquetschtem Essen und vergossenem Wein aufzurichten.
Abgesehen von seinem Ächzen war es völlig still im Saal.
Mit eisiger Verachtung sah Alexander auf seinen Vater herab.
„Und das soll der Mann sein, der unser Heer nach Asien
führt? Seht ihn euch an: Er schafft es nicht einmal von einer Kline zur
anderen!“
Er drehte sich um und ging.
Der Stier ist bekränzt
1
In seiner rustikalen Verschlafenheit hatte Dodona ihn ein
wenig an Aigai erinnert, als sie durch die Straßen zum Palast der molossischen
Könige geritten waren, müde, durchgefroren und erschöpft von der Reise. Sie
waren noch in derselben Nacht in Pella aufgebrochen, an Aigai vorbei in das
enge, gewundene Tal des Haliakmon geritten und dann über die Berge des Pindos
mit seinen dichten Nadel- und Eichenwäldern. Epeiros war ein raues Bergland,
durchzogen von schroffen Gebirgsketten, und es wurde bereits Herbst.
Der Palast in Dodona besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit dem
in Lynkestis, dachte Alexander, als er die verwitterten Holzdecken der
altertümlichen Halle musterte. Die steinernen Bodenfliesen waren offenbar vor
Kurzem erst erneuert worden, doch in
Weitere Kostenlose Bücher