Eine Krone für Alexander (German Edition)
einigermaßen
wiederhergestellt war, war er zum König gegangen und hatte Gerechtigkeit
verlangt. Vergeblich. Die Hochzeit mit Kleopatra stand unmittelbar bevor, und
Philipp brauchte Attalos für den Feldzug in Asien. Also versuchte er, Pausanias
zu beschwichtigen, indem er ihm Landbesitz in Thrakien verlieh. Attalos
schreckt vor nichts zurück, dachte Alexander, und Philipp hatte nicht vor, sein
Versprechen zu halten und ihn in die Schranken zu weisen.
Jemand lehnte sich neben ihn an die hölzerne Absperrung.
Amyntor nickte ihm kurz zu, ohne etwas zu sagen, und gemeinsam sahen sie seinem
Sohn zu, wie er die Bahn auf und ab ritt. Das Pferd war hervorragend ausgebildet,
und Hephaistion befand sich in vollkommenem Einklang mit dem Tier. Es war ein Genuss,
ihnen zuzusehen.
„Wenn es so weit ist, dann lass ihn in Ehren gehen.“
„Wie?“ Alexander war ganz in dem Anblick aufgegangen und
wurde von Amyntors Worten überrascht. „Was meinst du: wenn
es so weit ist?“
„Wenn du genug von ihm hast.“
„Wovon sprichst du?“
„Du weißt, was ich meine.“
Alexander starrte Amyntor entgeistert an und warf dann einen
Blick zu Hephaistion, der sein Pferd gerade in einem Serpentinenschritt
diagonal über die Reitbahn lenkte. Dann wandte er sich wieder Amyntor zu,
bemüht, ruhig zu bleiben.
„Ich werde niemals genug von ihm
haben. Hephaistion und ich sind Freunde, und Freunde bekommen nicht genug voneinander.“ Noch während er sprach, merkte er, dass
sein Tonfall, ohne dass er es wollte, belehrend und selbstgerecht geworden war.
„Freunde ist man für sein ganzes Leben“, schloss er, grammatikalisch nicht ganz
einwandfrei.
„Soweit ich mitbekommen habe, seid ihr mehr als Freunde“,
meinte Amyntor trocken. „Das ist in Ordnung, aber ihr solltet realistisch
bleiben. Ihr seid nicht einfach nur ein Liebespaar. Du bist sein Prinz und
wirst eines Tages sein König sein, und er ist nicht nur dein Freund und
Geliebter, sondern dein Favorit. Jedenfalls im Moment.“ Er machte eine kurze
Pause und fuhr dann mit schneidender Stimme fort: „Und wir alle wissen, was
königlichen Favoriten passieren kann, deren Dienste nicht weiter benötigt werden.“
Alexander zuckte zusammen, und ein Schauder lief ihm über
den Rücken. Der letzte Satz hatte ihn getroffen wie ein Schlag ins Gesicht.
Sogar hier, an diesem idyllischen Ort, verfolgte ihn die unheilvolle
Geschichte.
„Ich bin nicht mein Vater.“ Er suchte nach Worten, die weder
arrogant klangen noch unbeholfen oder naiv. „Hephaistion und ich, wir wissen
seit Langem, dass wir füreinander bestimmt sind, so wie Achilleus und Patroklos
füreinander bestimmt waren. Kannst du dir vorstellen, dass Achilleus irgendwann
einmal zu Patroklos gesagt hätte, er habe nun genug von ihm, und er könne in Ehren gehen? Oder die Heilige
Schar – ihre Mitglieder legten ihren Eid für ihr ganzes Leben ab, und nicht,
bis sie genug voneinander hatten.“
„Achilleus und Patroklos sind jung gestorben“, erwiderte
Amyntor nüchtern, „und die Mitglieder der Heiligen Schar ebenso. Wer weiß, was
gewesen wäre, hätten sie länger gelebt.“
„Du weißt es auch nicht.“
„Und du ebenso wenig. Deshalb hör auf, Hephaistion etwas von
ewiger Freundschaft und Treue bis in den Tod vorzuschwärmen. Ich kenne meinen
Sohn. Er glaubt jedes Wort, das du sagst. Eines Tages wird er furchtbar
enttäuscht sein.“
„Ich werde ihn niemals enttäuschen.“
Amyntor seufzte. „Alexander, ich will dich nicht beleidigen.
Ich weiß, du meinst, was du jetzt sagst. Aber niemand kann wissen, was die
Zukunft bringt. Eines Tages wirst du heiraten und eine Familie haben.
Vielleicht wirst du feststellen, dass Frauen dir lieber sind, oder du wirst dir
jüngere Freunde suchen. Deine Beteuerungen von heute werden dir dann vielleicht
peinlich sein.“
„Das werden sie niemals! Du kennst mich nicht! Wie kannst du
mir so etwas unterstellen?“
Vorsichtig nahm Amyntor einen neuen Anlauf. „Wenn man jung
ist und den ganzen Tag mit seinen Kameraden zusammensteckt, wenn man einander
ständig nackt auf dem Sportplatz sieht und einander beim Ringen nahe kommt,
dann ist es nichts Ungewöhnliches, wenn man nicht nur Kameradschaft beieinander
sucht, sondern auch Liebe und körperliche Nähe. Bei einem Kameraden, dem man
sein Leben anvertraut, mit dem man alles teilen kann. Das ist, wie gesagt, in
Ordnung. Aber die Erfahrung zeigt, dass solche Beziehungen selten von Dauer
sind.“
„Unsere schon“, sagte
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