Eine Krone für Alexander (German Edition)
zuckte die Achseln. „Immerhin haben sie nicht
versucht, uns die Waffen abzunehmen.“
„Vielleicht finden sie es spannender, damit noch zu warten.“
Pleurias’ Festung klebte wie ein Schwalbennest an einem steilen
Abhang über dem Fluss. Sie hatten ein flaues Gefühl in der Magengegend, als sie
mit ihrer Eskorte durch die stark befestigte Toranlage ritten. Die Zinnen der
Palisade waren mit gefährlich aussehenden Eisenspitzen bewehrt. Im Innenhof
stiegen sie ab. Es wimmelte von Menschen, bewaffneten wie unbewaffneten,
darunter auch Frauen und Kindern. Sogar ein paar Hühner und Gänse liefen herum.
Die Szenerie wirkte friedlich und rustikal, doch Alexander ließ sich davon
nicht täuschen. Die Palisaden waren stark bemannt, überall standen schwer bewaffnete
Posten. Niemand schien ihnen Beachtung zu schenken, doch ihre Begleiter hielten
sich in ihrer Nähe.
Die Sonne ging bereits unter. Die Breitseite des Hofes wurde
von einem repräsentativ aussehenden Gebäude abgeschlossen, wohl dem illyrischen
Äquivalent eines Palasts. Oben auf der hölzernen Treppe, die zu den offen
stehenden Torflügeln hinaufführte, erschien ein Mann, groß und kräftig und bis
an die Zähne bewaffnet, aber ohne Helm.
„Ich wusste, dass du hier früher oder später wieder aufkreuzen
und mich beim Essen stören würdest“, brüllte Pleurias und schwang etwas, was
Ähnlichkeit mit einer Schweinshaxe hatte. „Habt ihr Hunger?“
„Also, dein Vater hat noch einmal geheiratet, und deine
Mutter ist daraufhin wutentbrannt zu ihrer Familie zurückgegangen.“
Alexander saß mit Pleurias und einer lärmenden Horde
illyrischer Krieger in der Halle des „Palasts“ und kämpfte mit einem großen
Stück Schweinebraten, das Pleurias’ Frau ihm persönlich vorgesetzt hatte.
„Bis hierher kann ich gut folgen. So ähnlich könnte das auch
bei uns ablaufen.“ Pleurias warf einen gespielt eingeschüchterten Blick zu
seiner Frau hinüber. Sie verstand kein Wort Griechisch, lächelte aber unentwegt
und prostete den Gästen immer wieder aufmunternd zu. „Was ich nicht verstehe,
ist, warum du auch abgehauen bist. Du sagst, du fürchtest, dein Halbbruder
könnte dir dein Erbe wegschnappen, aber wenn ich dich richtig verstanden habe,
gibt es ihn noch gar nicht.“
„Nein, aber sobald er geboren ist, werden seine
machtgierigen Verwandten versuchen, ihm die Thronfolge zuzuschanzen. Sie geben
sich jetzt schon alle Mühe, hetzen die Leute gegen mich auf, verleumden meine
Mutter, beleidigen mich …“
„Also“, schnitt Pleurias ihm das Wort ab. „Falls die Neue ein Kind bekommt und falls es ein Sohn wird und falls dein Vater in nächster
Zeit sterben sollte …“
„Ich weiß, das alles klingt sehr hypothetisch, aber es gibt
komplizierte dynastische Hintergründe …“
„… die ich als ungebildeter Barbar sowieso nicht verstehe.
Du bist der einzige Sohn deines Vaters, der erwachsen und kriegstauglich ist.
Du bist vielleicht noch etwas jung, hast dich aber schon als Anführer im Krieg
bewährt, wovon ich mich im Frühjahr selbst überzeugen konnte. Warum sollten dir
deine Leute ein Wickelkind vorziehen?“
„Er wäre nur dem Namen nach König, regieren würden andere
für ihn, die Verwandten seiner Mutter.“
„Ihr Makedonen habt merkwürdige Sitten.“
Alexander lachte. „Das Kompliment kann ich zurückgeben. Eure
Sitten kommen uns ebenfalls ziemlich ausgefallen vor. Zum Beispiel, dass ihr im
Sitzen esst und trinkt.“
„Sollten wir es vielleicht im Stehen tun?“, witzelte
Pleurias, der natürlich genau wusste, dass die Griechen wie alle zivilisierten
Völker im Liegen speisten.
Alexander sah zu Pleurias’ Frau hinüber, und sie lächelte
herzlich zurück. „Außerdem sind eure Frauen bei euren Symposien zugegen.“
„Das hat seine Vorteile. So hat man wenigstens jemanden, der
einen nachts wohlbehalten nach Hause bugsiert und aufpasst, dass man unterwegs
nicht in einen Graben fällt.“
„Hm“, machte Alexander nachdenklich. „Vielleicht sind eure
Sitten doch nicht so übel.“
„Das will ich meinen. Noch ein Beispiel: Je weiter der Abend
vorrückt, desto enger schnallen wir unseren Gürtel – damit wir es mit dem
Trinken nicht übertreiben.“
„Und funktioniert es?“
„Nicht immer“, gab Pleurias zu und schnallte seinen Gürtel
ein Loch enger. „Aber für den Notfall haben wir ja immer noch unsere Frauen.“
Im Hintergrund des Saales entlockte ein Musiker seinem Instrument
ein paar Töne und stimmte ein
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