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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Raum zu Raum, und zu überlegen, was für eine Rolle jeder einzelne über die Jahrhundert hinweg im Alltag der Menschen gespielt hat. Im Badezimmer würde ich auf die Geschichte der Körperhygiene stoßen, in der Küche auf die des Kochens, im Schlafzimmer auf die der Sexualität, des Sterbens und Schlafens — und so weiter und so fort. Ich wollte eine Geschichte der Welt schreiben, ohne dass ich das Haus verlassen musste.
    Ich muss sagen, das Vorhaben hatte einen gewissen Reiz. Vor einiger Zeit habe ich ja in einem Buch versucht, das Universum zu verstehen und wie sich alles ineinanderfügt — kein geringes Unterfangen, wie Sie sich vorstellen können. Mich mit etwas zu beschäftigen, das so adrett begrenzt und angenehm endlich ist wie ein altes Pfarrhaus in einem englischen Dorf, war also sehr verlockend. Dazu musste ich nicht mal die Pantoffeln ausziehen.
    Natürlich kam es ganz anders. Häuser sind erstaunlich komplex, wahre Fundgruben. Zu meiner großen Überraschung stellte ich nämlich fest, dass alles, was in der Welt geschieht — alles, was entdeckt, erschaffen oder bitter umkämpft wird —, zum guten Schluss auf die eine oder andere Weise im Haus landet. Kriege, Hungersnöte, die Industrielle Revolution, die Aufklärung — alles ist da: verborgen in Ihren Sofas und Kommoden, in den Falten Ihrer Vorhänge und den fluffigen Daunenkissen, in der Farbe Ihrer Wände und dem Wasser in Ihren Wasserleitungen. Die Geschichte der Dinge, die zu unserem Alltag gehören, ist eben nicht nur eine der Betten, Sofas und Küchenherde, wie ich leichthin angenommen hatte, sondern auch eine von Skorbut, Guano und Bettwanzen; sie hat mit dem Eiffelturm zu tun und mit Leichenräuberei, also eigentlich mit allem, was je passiert ist. Häuser sind keine Rückzugsgebiete von der Geschichte. In Häusern landet die Geschichte.
    Ich muss wohl kaum darauf hinweisen, dass jede Art von Geschichte die Tendenz hat, sich auszuweiten. Um die Geschichte der alltäglichen Dinge in ein Buch zu packen, musste ich, das war mir von Anfang an klar, penibel auswählen. Und obwohl ich ab und zu in graue Vorzeiten zurückgehen werde (man kann nicht über Bäder und Badezimmer sprechen, ohne die Römer zu erwähnen), konzentriert sich das, was nun folgt, hauptsächlich auf die letzten einhundertfünfzig Jahre, mit besonderer Betonung auf der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, als die moderne Welt wirklich geboren wurde — und das deckt sich zufällig genau mit der Zeit, seit der das Haus existiert, durch das wir nun wandern.
    Wir haben uns an so viele Annehmlichkeiten gewöhnt — es warm zu haben, sauber gewaschen und wohlgenährt zu sein —, dass wir eines leicht vergessen: All diese Errungenschaften sind noch gar nicht so alt. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis wir so weit waren, und dann kam meist alles auf einmal. Wie genau das passierte und warum es so lange brauchte, darum geht es auf den folgenden Seiten.
    Obwohl ich den Namen des Dorfes, in dem das alte Pfarrhaus steht, nicht ausdrücklich nenne, möchte ich darauf hinweisen, dass es den Ort tatsächlich gibt und dass auch die Menschen, von denen ich erzähle, dort leben beziehungsweise gelebt haben.

Erstes Kapitel
    Das Jahr
    I.
    Im Herbst 1850 wuchs im Hyde Park in London ein absolut erstaunliches Gebäude in die Höhe: ein luftiges, riesiges Gewächshaus aus Eisen und Glas mit einer Grundfläche von etwa 7 7000 Quadratmetern und von solch ungeheuren Ausmaßen, dass vier St. Paul's Kathedralen darin Platz gefunden hätten. Während seines kurzen Erdendaseins war es das größte Gebäude der Welt. Offiziell als »Palast der Weltausstellung der Werke der Industrie aller Nationen« bekannt, war es ein wahrer Prunkbau, der vor allem deshalb für Erstaunen sorgte, weil er so atemberaubend gläsern, so prächtig und unerwartet schnell fertig war. Douglas Jerrold, Kolumnist der satirischen Wochenzeitschrift Punch, taufte ihn den »Crystal Palace«, und der Name blieb.
    Der Bau selbst hatte gerade mal fünf Monate gedauert. Es war ein Wunder, dass er überhaupt rechtzeitig vollendet wurde, denn ein Jahr zuvor hatte er noch nicht einmal als Idee existiert. Die Ausstellung, für die er erdacht wurde, war der Traum eines Beamten namens Henry Cole, der sich ansonsten als Erfinder der Weihnachtskarte einen Anspruch auf einen Platz in der Geschichte erworben hat. (Er wollte die Leute dazu bringen, die neue Penny Post zu benutzen.) 1849 besuchte Cole die Industrieausstellung in Paris — eine

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