Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
Menschen«, und schließlich unsere eigene Art, die wir in der für uns typischen Bescheidenheit Homo sapiens , den »weisen Menschen« getauft haben.
Einige dieser Menschenarten waren Riesen, andere Zwerge. Einige waren gefürchtete Jäger, andere friedliebende Vegetarier. Einige lebten auf einer einzigen Insel, andere durchstreiften ganze Kontinente. Aber sie alle gehörten der Gattung Homo an: Sie waren Menschen.
Lange glaubte man, dass diese Arten in einem langen Stammbaum aufeinanderfolgten: Aus dem ergaster ging der erectus hervor, aus dem erectus der Neandertaler und aus dem Neandertaler schließlich wir. Diese Vorstellung ist jedoch falsch und erweckt den irrigen Eindruck, dass immer nur eine Menschenart den Planeten bevölkerte und dass alle anderen Arten nichts anderes waren als Vorläufermodelle des modernen Menschen. In Wirklichkeit lebten zwei Millionen Jahre lang, bis vor rund 10000 Jahren, gleichzeitig mehrere Menschenarten auf unserem Planeten. Warum auch nicht? Heute existieren ja auch viele Arten von Füchsen, Bären oder Schweinen nebeneinander. Noch vor hunderttausend Jahren gab es mindestens sechs verschiedene Menschenarten. Diese Vielfalt ist viel weniger erstaunlich als die Tatsache, dass wir heute allein sind. Im Gegenteil, wenn wir heute die einzige verbliebene Menschenart sind, dann wirft das einige Fragen auf. Wie wir gleich noch sehen werden, könnte der Homo sapiens gute Gründe gehabt haben, die Erinnerung an seine Geschwister zu verdrängen.
Der Preis des Gehirns
Bei allen Unterschieden haben die verschiedenen Menschenarten einige entscheidende Gemeinsamkeiten, die sie überhaupt erst zu Menschen machen. Vor allem verfügen sie im Vergleich zu anderen Tieren über ungewöhnlich große Gehirne. Säugetiere mit einem Körpergewicht von 60 Kilogramm haben im Durchschnitt ein Gehirn mit einem Volumen von 200 Kubikzentimetern. Das Gehirn eines Homo sapiens dieses Gewichts misst dagegen stolze 1200 bis 1400 Kubikzentimeter. Die ersten Menschen, die vor 2,5 Millionen Jahren lebten, hatten zwar noch ein kleineres Gehirn, doch im Vergleich zu dem eines Leoparden, der etwa genauso viel wog, war es sehr groß. Im Laufe der Entwicklung sollte dieser Unterschied immer größer werden.
Rückblickend scheint es uns vollkommen logisch, dass die Evolution immer größere Gehirne hervorbrachte. Weil wir derart in unsere Intelligenz verliebt sind, gehen wir davon aus, dass mehr Hirnpower automatisch besser ist. Aber wenn dem so wäre, dann hätte die Evolution doch sicher auch Katzen hervorgebracht, die Differenzialgleichungen lösen können. Warum hat also im gesamten Tierreich nur die Gattung Homo einen derart leistungsfähigen Denkapparat entwickelt?
Tatsache ist, dass ein solch gewaltiges Gehirn auch gewaltige Kraft kostet. Schon rein körperlich ist es eine Last, zumal es in einem schweren Schädel herumgeschleppt werden muss. Vor allem aber frisst es Unmengen an Energie. Beim Homo sapiens macht das Gehirn zwar nur 2 bis 3 Prozent des gesamten Körpergewichts aus, doch im Ruhezustand verbraucht es sage und schreibe 25 Prozent der Körperenergie. Zum Vergleich: Bei anderen Affen sind es nur rund 8 Prozent. Unsere Vorfahren zahlten einen hohen Preis für ihr großes Gehirn: Erstens mussten sie mehr Zeit mit der Nahrungssuche zubringen, und zweitens bildeten sich ihre Muskeln zurück. Wie ein Staat, der den Militärhaushalt kürzt und in die Bildung investiert, lenkte der Mensch seine Energie von Muskelmasse in Hirnschmalz um. Dabei war keineswegs klar, dass dies in der Savanne eine kluge Überlebensstrategie war. Ein Homo sapiens kann einen Schimpansen zwar an die Wand diskutieren, doch der Affe kann den Menschen auseinandernehmen wie ein Stoffpüppchen.
Es scheint sich allerdings gelohnt zu haben, denn sonst hätten die Menschen mit ihren überdimensionierten Gehirnen schließlich nicht überlebt. Nur wie macht der Zuwachs an Hirn den Verlust an Muckis wett? Im Zeitalter von Albert Einstein mag diese Frage albern klingen, aber wir sollten nicht vergessen, dass Einstein noch ein recht junges Phänomen ist. Zwei Millionen Jahre lang wuchs das menschliche Gehirn zwar munter weiter, aber abgesehen von einigen Steinmessern und angespitzten Stöcken brachte es den Menschen recht wenig. Aus evolutionärer Sicht ist die Entwicklung des menschlichen Gehirns mindestens genauso paradox wie die Entwicklung von unhandlichen Pfauenfedern oder schweren Hirschgeweihen. Wozu der ganze Aufwand?
Eine andere
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