Barrayar
KAPITEL 1
Ich habe Angst. Cordelias Hand schob den Vorhang vor dem Fenster des Salons im zweiten Stock des Palais Vorkosigan zur Seite. Sie starrte hinab auf die sonnenbeschienene Straße. Ein langer silberner Bodenwagen bog in die halbkreisförmige Auffahrt ein, die zu dem Säulengang an der Vorderfront führte, bremste hinter dem spitzenbewehrten Eisenzaun und dem von der Erde importierten Gebüsch. Ein Regierungswagen. Die Tür des hinteren Fahrgastabteils schwang hoch, und ein Mann in einer grünen Uniform stieg aus. Trotz ihrer perspektivisch verzerrten Sicht erkannte Cordelia Oberstleutnant Illyan, wie gewöhnlich ohne Hut auf seinem braunen Haar. Er trat aus ihrem Gesichtskreis unter den Säulengang. Vielleicht brauche ich mir nicht wirklich Sorgen zu machen, so lange die Kaiserliche Sicherheitspolizei nicht in der Nacht zu uns kommt. Aber ein Rest von Furcht blieb zurück, versteckt in ihrem Unterleib. Warum bin ich überhaupt hierher nach Barrayar gekommen. Was habe ich mir und meinem Leben damit angetan?
Stiefelschritte ertönten im Korridor, und die Tür des Salons öffnete sich knarrend. Sergeant Bothari steckte seinen Kopf herein und brummte, zufrieden, dass er sie gefunden hatte: »Mylady, es ist Zeit zu gehen.«
»Danke, Sergeant.« Sie ließ den Vorhang fallen und wandte sich um, um sich ein letztes Mal in dem Wandspiegel über dem archaischen offenen Kamin prüfend zu betrachten. Schwer zu glauben, dass die Leute hier immer noch pflanzliches Material verbrannten, um nur die darin chemisch gebundene Hitze freizusetzen.
Sie hob ihr Kinn über dem steifen weißen Spitzenkragen ihrer Bluse, zog die Ärmel ihrer gelbbraunen Jacke zurecht und stieß mit dem Knie zerstreut gegen den langen, schwingenden Rock einer Frau aus der Klasse der Vor, der ebenfalls gelbbraun war, passend zur Jacke. Die Farbe ermutigte sie, es war fast das gleiche Gelbbraun wie ihr alter Arbeitsanzug vom Betanischen Astronomischen Erkundungsdienst. Sie strich mit ihren Händen über ihr rotes Haar, das in der Mitte gescheitelt war und mit zwei emaillierten Kämmen vom Gesicht ferngehalten wurde, und sie ließ es über ihre Schultern nach hinten fallen, wo es sich in der Mitte ihres Rückens zu offenen Locken ringelte. Ihre grauen Augen starrten ihr aus dem bleichen Gesicht im Spiegel entgegen. Die Nase war etwas zu knochig, das Kinn ein bisschen zu lang, aber es war sicher ein brauchbares Gesicht, gut für alle praktischen Zwecke.
Nun, wenn sie zierlich aussehen wollte, dann brauchte sie sich nur neben Sergeant Bothari zu stellen. Mit seinen zwei Metern ragte er düster neben ihr empor. Cordelia hielt sich für eine großgewachsene Frau, aber ihr Scheitel reichte nur bis zu seiner Schulter. Er hatte ein Gesicht wie ein Wasserspeier einer gotischen Kathedrale, verschlossen, argwöhnisch, mit einer scharf geschnittenen Nase, und durch den militärisch kurzen Haarschnitt bekamen seine klobigen Züge fast etwas Kriminelles. Nicht einmal die elegante Livree des Grafen Vorkosigan, dunkelbraun mit den silbern aufgestickten Symbolen des Hauses, konnte Bothari aus seiner verblüffenden Hässlichkeit retten. Aber wirklich ein sehr gutes Gesicht – für praktische Zwecke.
Ein Gefolgsmann in Livree. Was für ein Begriff. Wem galt sein Folgen?
Unserem Leben, unserem Schicksal und vor allem unserer heiligen Ehre.
Sie nickte ihm im Spiegel freundlich zu und wandte sich um, um ihm durch das Labyrinth von Palais Vorkosigan zu folgen.
Sie musste so schnell wie möglich lernen, sich in dem großen Gebäudekomplex zurechtzufinden. Es war peinlich, sich im eigenen Heim zu verlaufen und einen vorbeikommenden Wächter oder Diener bitten zu müssen, einem den Weg zu weisen. Mitten in der Nacht, nur mit einem Handtuch bekleidet. Ich war einmal Navigatorin eines Sprungschiffes. Wirklich! Wenn sie schon mit fünf Dimensionen aufwärts umgehen konnte, dann sollte sie doch sicherlich in der Lage sein, auch mit nur drei Dimensionen abwärts fertig zu werden.
Sie kamen zum obersten Absatz einer großen, runden Treppe, die in drei eleganten Bögen hinab in ein schwarz-weiß gefliestes Foyer führte. Ihre leichten Schritte folgten Botharis gemessenen Tritten. Ihre Röcke vermittelten ihr ein Gefühl von Gleiten, als schwebte sie mit einem Fallschirm unaufhaltsam in einer Spirale hinab.
Ein hochgewachsener junger Mann, der am Fuß der Treppe sich auf einen Stock stützte, blickte beim Geräusch ihrer Schritte auf. Leutnant Koudelkas Gesicht,
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