Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Ergebnisse des Michelson-Morley-Experiments dadurch zu erklären, daß sich Gegenstände zusammenziehen und Uhren langsamer gehen, wenn sie sich durch den Äther bewegen. Doch im Jahr 1905 erklärte ein bis dahin unbekannter Beamter des Eidgenössischen Patentamtes Bern – Albert Einstein – in seinem berühmten Aufsatz, die ganze Vorstellung vom Äther sei überflüssig, vorausgesetzt, man sei bereit, die Vorstellung von der absoluten Zeit aufzugeben. Den gleichen Gedanken äußerte ein paar Wochen später Poincaré, Henri, ein führender französischer Mathematiker. Einsteins Argumente waren überwiegend an der Physik ausgerichtet, während Poincaré das Problem mehr aus mathematischer Sicht betrachtete. Gewöhnlich wird Einstein die neue Theorie zugeschrieben, doch auch Poincarés Name bleibt mit einem wichtigen Teil von ihr verknüpft.
Das entscheidende Postulat der Relativitätstheorie, wie sie genannt wurde, besagt, daß die Naturgesetze für alle bewegten Beobachter unabhängig von ihrer Geschwindigkeit gleich sein müssen. Das traf zwar schon auf Newtons Bewegungsgesetze zu, doch nun wurde das Prinzip auch auf Maxwells Theorie und die Lichtgeschwindigkeit ausgedehnt: Alle Beobachter müssen die gleiche Lichtgeschwindigkeit messen, wie schnell auch immer sie sich bewegen. Dieser einfache Gedanke hat einige bemerkenswerte Folgen. Am bekanntesten sind wohl die Äquivalenz von Masse und Energie, zusammengefaßt in Einsteins berühmter Formel E = mc 2 (wobei E die Energie ist, m die Masse und c die Lichtgeschwindigkeit), und das Gesetz, nach dem nichts sich schneller fortbewegen kann als das Licht. Infolge der Äquivalenz von Energie und Masse muß die Energie, die ein Objekt aufgrund seiner Bewegung besitzt, seiner Masse hinzugerechnet werden. Mit anderen Worten: Sie erschwert es ihm, seine Geschwindigkeit zu steigern. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dieser Effekt allerdings nur bei Objekten, deren Geschwindigkeit der des Lichtes nahekommt. Beispielsweise ist bei 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit die Masse eines Objekts nur 0,5 Prozent größer als normal, während sie bei 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit mehr als doppelt so groß wie normal wäre. Je mehr sich das Objekt der Lichtgeschwindigkeit nähert, desto rascher wächst seine Masse, so daß mehr und mehr Energie erforderlich ist, es noch weiter zu beschleunigen. Tatsächlich kann es die Lichtgeschwindigkeit niemals erreichen, weil es dazu einer unendliche Energie bedürfte. Aus diesem Grund ist jedes gewöhnliche Objekt durch die Relativitätstheorie dazu verurteilt, sich mit Geschwindigkeiten unterhalb der Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen. Nur das Licht oder andere Wellen, die keine Ruhemasse haben, können sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.
Eine ebenso gewichtige Konsequenz hat die Relativitätstheorie für unsere Vorstellung von Raum und Zeit. Schickte man einen Lichtpuls von einem Ort zu einem anderen, so würden nach Newtons Theorie verschiedene Beobachter hinsichtlich der Dauer der Reise Einigkeit erzielen (da die Zeit absolut ist), nicht aber hinsichtlich der Länge des Weges (da der Raum nicht absolut ist). Weil man die Geschwindigkeit des Lichts errechnet, indem man die zurückgelegte Entfernung durch die benötigte Zeit teilt, würden verschiedene Beobachter auf verschiedene Werte für die Lichtgeschwindigkeit kommen. In der Relativitätstheorie hingegen müssen sich alle Beobachter über die Geschwindigkeit des Lichts einig sein. Aber sie gehen doch von verschiedenen Entfernungen aus, die das Licht zurückgelegt hat. Wie sollen sie sich da über die Zeit einigen, die es dazu benötigt hat? (Denn die benötigte Zeit ist ja die zurückgelegte Strecke, für die verschiedene Angaben vorliegen, dividiert durch die konstante Lichtgeschwindigkeit, über die sich die Beobachter einig sind.) Mit anderen Worten: Die Relativitätstheorie macht der Vorstellung den Garaus, es gebe eine absolute Zeit! Es sieht so aus, als hätte jeder Beobachter sein eigenes Zeitmaß, seine eigene Uhrzeit, und als würden auch dieselben Uhren, von verschiedenen Beobachtern benutzt, in ihren Angaben nicht unbedingt übereinstimmen.
Jeder Beobachter könnte ein Radargerät verwenden und einen Lichtpuls oder Radiowellen aussenden, um festzustellen, wo und wann ein Ereignis stattgefunden hat. Ein Teil des Pulses wird vom Ereignis reflektiert, und der Beobachter mißt die Zeit bis zum Eintreffen des Echos. Als Zeitpunkt des Ereignisses gilt die
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