Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Doppler-Effekt, um die Geschwindigkeit von Autos festzustellen: Sie mißt die Frequenz von Radiowellen, die von den Fahrzeugen reflektiert werden.
Nachdem Hubble die Existenz anderer Galaxien nachgewiesen hatte, beschäftigte er sich jahrelang damit, ihre Entfernungen zu katalogisieren und ihre Spektren zu beobachten. Damals erwartete man allgemein, daß die Bewegungen der Galaxien vom Zufall bestimmt seien und man also auf etwa gleich viele blau- wie rotverschobene Spektren stoßen würde. Deshalb war die Überraschung groß, als man bei den meisten Galaxien eine Rotverschiebung feststellte. Sie bewegen sich fast alle von uns fort! Noch überraschender war eine Entdeckung, die Hubble 1929 veröffentlichte: Sogar das Ausmaß der Rotverschiebung ist nicht zufällig, sondern direkt proportional zur Entfernung der Galaxie von uns. Mit anderen Worten: Je weiter eine Galaxie entfernt ist, desto schneller bewegt sie sich von uns fort! Folglich kann das Universum nicht statisch sein, wie man vor Hubble allgemein glaubte, sondern muß sich ausdehnen: Der Abstand zwischen den verschiedenen Galaxien nimmt ständig zu.
Die Entdeckung, daß sich das Universum ausdehnt, war eine der großen geistigen Revolutionen des 20. Jahrhunderts. In der Rückschau kann man sich natürlich leicht fragen, warum niemand vorher darauf gekommen ist. Newton und anderen hätte doch klar sein müssen, daß sich ein statisches Universum schon bald unter dem Einfluß der Gravitation zusammenziehen würde. Doch man stelle sich statt dessen vor, das Universum expandiere. Verliefe diese Ausdehnung eher langsam, so würde die Schwerkraft die Expansion schließlich zum Stillstand bringen und zu einer Kontraktion führen. Läge das Maß der Ausdehnung hingegen über einem bestimmten kritischen Wert, könnte die Gravitation die Bewegung nicht aufhalten, und das Universum würde ewig mit der Expansion fortfahren. Der Vorgang hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Start einer Rakete. Ist ihre Geschwindigkeit zu niedrig, wird die Schwerkraft sie schließlich bremsen und auf die Erdoberfläche zurückfallen lassen. Wenn die Rakete dagegen eine bestimmte kritische Geschwindigkeit überschreitet (ungefähr elf Kilometer pro Sekunde), reicht die Schwerkraft nicht mehr aus, die Rakete zurückzuhalten, so daß sie sich unentwegt von der Erde entfernt. Dieses expandierende Verhalten des Universums hätte aufgrund der Newtonschen Gravitationstheorie jederzeit im 19., im 18., ja sogar im ausgehenden 17. Jahrhundert vorhergesagt werden können. Doch der Glaube an ein statisches Universum war so tief verwurzelt, daß er sich bis ins 20. Jahrhundert hinein hielt. Selbst als Einstein 1915 die Allgemeine Relativitätstheorie formulierte, glaubte er noch so fest an die statische Beschaffenheit des Alls, daß er eine sogenannte kosmologische Konstante in seine Gleichungen einführte, um diese Überzeugung zu retten. Er postulierte eine neue «Anti-Gravitationskraft». Sie habe, anders als andere Kräfte, keinen bestimmten Ursprung, schrieb er, sondern sei in die Textur der Raumzeit eingewoben. Er behauptete, der Raumzeit wohne eine Expansionstendenz inne, die durch die Anziehungskräfte der Materie im All exakt aufgewogen werde. Das Ergebnis war ein statisches Universum. Zu jener Zeit schien es nur einen einzigen zu geben, der willens war, die Allgemeine Relativitätstheorie beim Wort zu nehmen. Während andere Physiker nach Wegen und Möglichkeiten suchten, sich vor ihrer Konsequenz zu drücken – vor der Erkenntnis also, daß das Universum nicht statisch ist –, machte es sich der russische Physiker und Mathematiker Alexander Friedmann zur Aufgabe, sie zu erklären.
Er ging von zwei sehr einfachen Annahmen über das Universum aus: daß es stets gleich aussehe, in welche Richtung auch immer wir blicken, und daß diese Voraussetzung auch dann gälte, wenn wir das Universum von einem beliebigen anderen Punkt aus betrachteten. Allein anhand dieser beiden Vorstellungen bewies Friedmann, daß das Universum nicht statisch sein kann. Bereits 1922, ein paar Jahre vor Edwin Hubbles Entdeckung, sagte er exakt voraus, was dieser dann aufgrund von Beobachtungen fand!
In Wirklichkeit stimmt die Annahme, das Universum sehe in jeder Richtung gleich aus, natürlich nicht. Zum Beispiel bilden die anderen Sterne in unserer Galaxis, wie wir gesehen haben, einen gut unterscheidbaren Lichtstreifen am Nachthimmel – die Milchstraße. Doch wenn wir fernere Galaxien beobachten, zeigen
Weitere Kostenlose Bücher